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nnz-Interview zur Bundestagswahl

Das Übermaß muss bekämpft werden

Dienstag, 04. April 2017, 13:00 Uhr
15.325 Petitionen gingen 2015 beim Petitionsausschuss des Bundestages. Den Vorsitz der Institution führt seit 2005 Kersten Steinke von der Partei DIE LINKE. Im kommenden September tritt sie in Nordthüringen zur Wiederwahl an. Die nnz hat mit Frau Steinke über den Sinn von Petitionen, Gerechtigkeitsfragen und das politische System gesprochen...

Kersten Steinke (Die Linke) im nnz-Interview (Foto: Angelo Glashagel) Kersten Steinke (Die Linke) im nnz-Interview (Foto: Angelo Glashagel)

nnz: Frau Steinke, der Berliner Politikbetrieb scheint manchmal weit weg von den Mühen der Ebenen und Sie sind schon lange Teil dessen. Verliert man nicht irgendwann den Bezug zum Alltag der Menschen?

Kersten Steinke: Ich wohne immer noch hier in Bad Frankenhausen. Ich brauche das auch. In der Heimat erfahre ich den Widerhall von Politik, hier sieht man „wie wirkt sie“. Ich pflege den Kontakt zu Vereinen und Verbänden, vor allem im sozialen Bereich. Als Vorsitzende des Petitionsausschusses ist es mein Job, die Sorgen und Nöte der Bürgerinnen und Bürger aufzunehmen. Wenn ich dann höre, „dieses oder jenes Gesetz funktioniert nicht richtig“, dann kann ich das parlamentarisch nutzen und weiß in meiner Fraktion, wir liegen richtig. Wenn ich im Bundestag manchen am Pult reden höre, denke ich: „der hat keinen Kontakt mehr im Wahlkreis“ oder die Kontakte haben ganz andere Resonanzen als bei mir. Insofern ist die Kombination aus Bundestag und Heimat ganz wichtig. Ich könnte nie für immer in Berlin leben.

nnz:Hat sich der „Widerhall“ in den letzten Jahren verändert?

Steinke: Ich mache das mal ein bisschen an den Petitionen fest, und da hat sich nicht viel verändert. Wir haben vor allem Petitionen im sozialen Bereich, wo es um Hartz IV geht, um Gesundheit, um den Pflegebereich, um die Rente. Nehmen Sie zum Beispiel die wohnortnahe Hebammenhilfe. Das ist auch in Thüringen ein großes Problem, in diesem Bereich haben wir in jeder Wahlperiode tausende Petitionen. Aber die Leute wollen auch mehr Mitbestimmung, mehr Demokratisierung. Unsere Fraktion kämpft dafür seit wir im Bundestag sind, auch für Volksentscheide auf Bundesebene. Ich glaube, das wäre ein großer Schritt, wenn wir Volksbegehren zulassen würden, auch wenn es nicht immer bequem ist. Demokratie muss erarbeitet und auch akzeptiert werden, wenn Entscheidungen getroffen worden sind. Unser Land tut sich da eher schwer.

nnz: Ziehen denn die Petitionen tatsächlich Konsequenzen nach sich?

Steinke: Es gibt Petitionen zum Gesetzgebungsverfahren, und es gibt Petitionen mit persönlichen Anliegen. 27% entfallen auf die Gesetzgebung, 73% sind persönliche Anliegen. Beispiele hierfür sind eine nicht bewilligte Qualifizierungsmaßnahme durch die Agentur für Arbeit, die Bereitstellung eines Telefonanschlusses, die zu lange dauert, falsch berechnete BaföG-Bescheide, ein abgelehnter Reha-Antrag und ähnliches. Ein Beispiel für die Gesetzgebung ist eine öffentliche Petition mit über 100.000 Unterstützern zu den Internetsperren oder mit 57.088 Mitzeichnungen zur EU-Tabak-Richtlinie gegen das Verbot der E-Zigarette.

nnz: Mit welchen Erwartungen gehen Sie in den nächsten Wochen und Monaten in den Wahlkampf?

Steinke: Ich denke, dass die Menschen erkannt haben, dass es so nicht weiter gehen kann wie bisher. Die Wege zur Veränderung sind unterschiedlich und ich möchte gerne Wege finden, die zu mehr sozialer Gerechtigkeit, also zu mehr Lohn- und Rentengerechtigkeit und zu einem Gesundheitssystem führen, das den Bedürfnissen der Menschen angepasst ist. Bessere Bildung, höherer Mindestlohn, keine Kinder- und Altersarmut, das sind alles Themen, von denen ich möchte, dass sich die Menschen dafür entscheiden.

nnz: Die Kanzlerin und SPD Kandidat Schulz scheinen die Berichterstattung zu dominieren. Die Linken kommen, zumindest gefühlt, kaum vor. Hat die Linke ein Wahrnehmungsproblem?

Steinke: Ich drehe es mal anders herum. Ich habe das Gefühl, dass die Linke durch die Medien geschnitten wird. Es gibt Studien, die das bestätigen, etwa zur Präsenz in den Hauptnachrichten. Und persönlich habe ich die Erfahrung gemacht, dass Informationen, die ich an die Presse gebe, nicht gebracht werden; Informationen dagegen, die andere geben aber schon. In den öffentlich-rechtlichen Medien scheinen wir in den Abendnachrichten bewusst ausgespart zu werden. Andererseits profitiert die SPD vom „Schulz Hype“. Was ich nicht wirklich nachvollziehen kann. Alles was er sagt, kritisieren wir Linken schon seit Jahren.

nnz: Die Linke hat es nie geschafft, aus der großen Krise 2008 wirklich Kapital zu schlagen. Stattdessen erleben wir den Aufstieg der Rechtspopulisten. Wie ist das zu erklären?

Steinke: Das ist schwierig und beschäftigt mich jeden Tag. Viele Menschen scheinen keine langfristigen Lösungen mehr zu wollen. Das hat sicher auch etwas mit Enttäuschung durch Politik zu tun. Das merken wir auch im Petitionsausschuss. Es werden viel zu viele Petitionen von der großen Koalition aus CDU/CSU/SPD negativ beschieden, weil sie dem Gesetzgeber Recht geben und den betroffenen Bürger nicht mehr anhört oder erreicht. Insofern denke ich, dass das auch etwas mit Glaubwürdigkeit zu tun hat. Sich als Oppositionsfraktion im Bundestag gegen eine Koalition, die 80% der Abgeordneten ausmacht, Gehör zu verschaffen, ist nicht einfach. Aber steter Tropfen höhlt den Stein. Wir versuchen es immer und immer wieder. Ich selbst führe viele Gespräche im Wahlkreis, mit Bürgern, Vereinen, Verbänden und bin selber aktiv, etwa bei der Tafel. Aber es ist ein Problem.

nnz: Wie gewinnt man denn das Vertrauen zurück?

Steinke: Ich mache mir zum Maßstab, dass ich das vorlebe, was ich von den anderen erwarte. Sich selber einbringen, aktiv sein für mehr Demokratie, in der Flüchtlingshilfe und an anderer Stelle – das ist für mich Glaubwürdigkeit.

nnz: Wie würden denn die Veränderungen aussehen, die man angehen würde, so die Wahl zu ihren Gunsten ausgehen sollte?

Steinke: Wir haben immer gesagt, dass wir die Angleichung des Rentenniveaus von Ost und West brauchen. Das setzt aber voraus, dass wir den Mindestlohn erhöhen, zwölf Euro fordert die Linke. Wir haben den Mindestlohn seit 2005 gefordert. Alle, auch diejenigen, die ihn so weit gebracht haben, wissen, dass der momentane Mindestlohn nicht ausreicht. Es sollte keine Aufstocker geben, sondern einen Mindestlohn, von dem man leben kann und mit dem die Rente im Alter reicht. Erhöhung der Vermögenssteuer, überhaupt Steuergerechtigkeit, eine Bürgerversicherung für alle Kranken und Gesunden, das sind alles Dinge über die wir reden müssen. Die Rüstungsausgaben und die Unternehmenssteuerfreiheit für große Konzerne würden unter einer linken Regierung konsequent gekürzt.

nnz: Wie stehen sie zur EU? Wie sollte sich Deutschland hier positionieren?

Kersten Steinke - "Das Übermaß muss bekämpft werden" (Foto: Angelo Glashagel) Kersten Steinke - "Das Übermaß muss bekämpft werden" (Foto: Angelo Glashagel) Steinke: Die EU muss zu einer tatsächlich demokratischen, sozialen, ökologischen und friedlichen Union werden, denn sie beeinflusst das Leben der Bürgerinnen und Bürger unmittelbar und in wachsendem Umfang. Entscheidungen des EU-Parlaments, des Europäischen Rates und der EU-Kommission bestimmen die Lebensbedingungen und den Alltag der Menschen. Die auf EU-Ebene getroffenen Entscheidungen sind von zentraler Bedeutung für die Sicherung des Friedens, die wirtschaftliche und soziale Entwicklung und die Lösung der ökologischen Herausforderungen auf dem Kontinent und darüber hinaus. Hierfür sollte Deutschland sich aktiver einbringen: keine Beteiligung an Kriegseinsätzen, kein Export von Waffen oder Technik zur Produktion von oder Ausbildung an Waffen, Abbau der Atomwaffenstützpunkte, keine Einmischung und Provokation in den Ländern zu Russland, gleiche Umsatzsteuern in den Mitgliedsländern und gleicher (Mindest-)Lohn für alle etc.

nnz: Warum braucht es die EU denn ihrer Meinung nach?

Steinke: Wir sind ein Kontinent und haben zwar eine gemeinsame Währung aber wir sind noch keine starke Gemeinschaft, wie sie unter Anerkennung der historisch-traditionellen, kulturellen und religiösen Unterschiede miteinander leben sollte. Wirtschaftliche und soziale Standards müssten angeglichen werden, Grenzen dürfen nicht wieder aufgebaut werden, Flüchtlingen aus Kriegsgebieten, in den die EU-Staaten verwickelt sind, sind ohne wenn und aber aufzunehmen.


nnz: Außenpolitisch schwelt es an mehreren Fronten, Russland, die USA, jüngst die Türkei. Wie sollte man sich hier verhalten?

Steinke: Ich bin immer für einen Respekt der Länder untereinander und gegen eine Politik der Stärke. Man muss miteinander reden, kooperieren, verhandeln, den gemeinsamen Nenner und eine Lösung finden. Mit Sanktionen erreicht man nichts sondern trifft nur die unschuldige Bevölkerung. Aufrüstung, Drohgebären, Konfrontation und Provokation sind für mich die falschen Mittel.

nnz: Die CDU wird versuchen die Flüchtlingsproblematik zum Wahlkampfthema zu machen. Vor allem der Begriff „Rückführmanagement“ fällt immer wieder. Wie würde die Linke verfahren?

Steinke: Ich bin grundsätzlich dafür, Menschen in Not in Deutschland zu helfen. Wenn man Völker ihrer Ressourcen, ihrer Lebensgrundlagen und ihrer Zukunft beraubt und ein Land zerbombt, dann ist es allzu verständlich, dass die Menschen flüchten und zwar dorthin, wo sie Hilfe erhoffen und eine neue Existenz aufbauen können. Die wenigsten sind Wirtschaftsflüchtlinge und die allermeisten wollen arbeiten, sich integrieren und sich in die Gesellschaft einbringen. Die CDU dagegen will die Wähler vom rechten Rand einfangen und unterstützt direkt oder indirekt die rechtslastigen Parolen. Sie ist gegen Multikulti, hat Angst um das christliche Abendland und will nur die arbeitsfähigen Fachkräfte aus dem Ausland nach Deutschland holen.
Wir Linke sind für schnelle Integration, Sprachunterricht, Berufsausbildung. Wir brauchen im 21. Jahrhundert die Vielfalt der Kulturen, brauchen ein friedliches Zusammensein und wir brauchen die Arbeitskräfte. In manchen Teilen der Bevölkerung führt das zu Unmut und Neid, obwohl ihnen niemand ihren Lohn oder ihre Rente, ihren gesellschaftlichen Platz oder sozialen Status streitig macht. Die Menschen sollten sich nicht gegeneinander ausspielen lassen, sondern human bleiben und den Flüchtlingen eine Chance geben.


nnz: War die Entscheidung im Jahr 2015 die Grenzen zu öffnen, die richtige?

Steinke: Aber ja, unbedingt. Das war richtig. Die Grenzen sind bereits 1990 nach Osten geöffnet worden und die Bevölkerungsstruktur hat sich seit dem verändert. Wir können doch jetzt nicht unsere Grenzen dicht machen, weil es diesmal nicht in das Konzept der Marktwirtschaft passt, und lassen Menschen ertrinken, verhungern oder in zerbombten Häusern zurück. Flüchtlinge kommen in Not. Jeder kann's im Fernsehen sehen. Und ehrlich, Deutschland trägt schließlich Mitschuld! Wir sind ein reiches Land. Die Quote der Millionäre ist in den letzten Jahren immer weiter gestiegen, wir können zig-Milliarden für die so genannte militärische Verteidigung ausgeben, und dann tun wir so als ob wir die Flüchtlinge nicht unterkriegen würden? Das ist ein Unding.

nnz: Der Zuzug scheint zurzeit nicht populär. Was kann man denn gegen die Zuwanderung machen?

Steinke: Die Kriege beenden. Die Waffenexporte einstellen. Fair bei der Ressourcennutzung und beim Handel sein. Meinen Reichtum mit dem Leiden der anderen zu mehren, das kann nicht unser Leben sein. Es gibt da so viele schizophrene Dinge, die Welt ist aus den Fugen geraten. Die Völker und die Staaten bekämpfen sich lieber anstatt sich gegenseitig zu helfen. Ich stehe auf dem Standpunkt, wem es gut geht, der hilft dem anderen, das ist meine Vision. Eine Utopie, die wir vielleicht nie erreichen werden. Aber es gibt bereits unzählige positive kleine Beispiele für Hilfe und Unterstützung von Mitmenschen.

nnz: Wo verläuft der Weg zwischen Utopie und Realpolitik?

Steinke: Wir sollten aus unserem Land das Bestmögliche machen, so sozial und friedlich wie möglich. Das heißt aber auch, dass jeder von seiner Arbeit und seiner Rente leben kann, dass Bildung und Gesundheit finanziert werden, dass es gerecht zugeht. Und da ist noch viel zu tun. Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer. Die Reichen leben auf Kosten der anderen, schon im eigenen Land, da müssen wir nicht nach Afrika oder sonst wohin schauen. Für den Otto Normalverbraucher ist es doch unverständlich, warum Banken- und Finanz-Abzocker wie Ackermann und Co. oder Millionenfach-Steuerhinterzieher wie Höhnes und Co. immer wieder freien Fußes gesetzt oder so mild als möglich bestraft werden. Und eine Kassiererin wegen eines liegengebliebenen Pfandbons von etwas über ein Euro, verliert ihre Arbeit verliert und wird strafrechtlich verfolgt.


nnz: Ist das denn aber nicht das Versprechen der Moderne. Dass man die Chance hat, da mit dabei zu sein, dahin zu kommen, zu den Reichen zu gehören?

Steinke: Das ist nicht mein Versprechen. Ich möchte so viel, dass ich leben kann. Was will der Multimillionär mit so vielen Millionen? Das ist nicht mehr existenzsichernd, das ist auch kein Luxus mehr, sondern Übermaß und nicht gerecht verdient. Und dieses Übermaß muss bekämpft werden. Der Millionär kann seine Millionen auf dem Konto haben, aber er soll was davon abgeben. Und das macht Deutschland nicht. Wir fordern seit Jahren eine Vermögenssteuer und alle anderen Parteien sperren sich dagegen. Warum kann derjenige, der seinen Reichtum niemals selber erarbeitet hat, sondern den andere für ihn erwirtschaftet haben, von seinem Vermögen nicht mehr abgeben, so dass das die Solidargemeinschaft davon profitiert?

nnz: Zumindest die Idee, die Boni von Managern zu deckeln, macht derzeit wieder die Runde. Würde das schon reichen?

Steinke: Nein, es gibt viele Baustellen, nicht nur bei Boni, sondern auch bei den Steuern, im Arbeitsrecht, im Gesundheitswesen, bei der Rente, im Beamtentum, bei den Rechten der Frauen, in der Bildung, bei der Kinderversorgung, bei den Mieten und im Wohnungsbau etc. Im Wahlkampfgetöse werden Boni thematisiert, aber gesellschaftliche Probleme werden nicht geändert. Die Regierung hat Angst, ihr Klientel und ihre Geldgeber zu verlieren. Die ganze Frage des Lobbyistentums spielt hier auch mit rein.

nnz: In einer Diskussion würde man ihnen jetzt das „scheue Reh des Kapitals“ entgegen halten, das aus Deutschland flieht, wenn wir die Steuern erhöhen.

Steinke: Das ist doch quatsch. Erstens gibt es in Europa andere Länder mit höheren Unternehmenssteuern und zweitens spielt das in einer globalisierten Welt mit multinationalen Konzernen eine untergeordnete Rolle. Warum lassen denn große deutsche Autokonzerne in Osteuropa und Asien produzieren? Als Bodo Ramelow Ministerpräsident wurde, haben die Kritiker auch gesagt, „wenn die Linken kommen, ziehen sich die Unternehmen zurück“. Nichts ist passiert. Im Gegenteil, es geht nach vorn. Diese Landesregierung versucht das wieder gut zu machen, was die CDU Regierung über Jahre kaputt gemacht hat. Zum Beispiel in der Bildung und bei den Kitas. Natürlich mangelt es an Lehrern. Doch die Thüringer Landesregierung arbeitet konsequent an der Lösung dieses Problems.

nnz: Warum sind Sie in die Politik gegangen?

Steinke: Weil ich doch die Hoffnung habe, dass ich mit meinem Job den Menschen dazu verhelfen kann, zu ihrem Recht zu kommen. Gerade im Petitionsausschuss. Ich will die Gesetze im Sinne der Bürgerinnen und Bürger ausreizen und auf Gesetzverstöße hinweisen. Mir ist wichtig, gegenzusteuern und Alternativen aufzuzeigen.

nnz: Bund und Länder verkünden Rekordeinnahmen und viele Kommunen kämpfen sich gleichzeitig durch Haushaltssicherungsmaßnahmen. Wie passt das zusammen?

Steinke: Normalerweise gar nicht. Die Kommune ist der Lebensraum der Bürgerinnen und Bürger, und die muss ich stärken. Eine kommunale Selbstverwaltung ist schier nicht mehr möglich, das sehe ich auch in meinem eigenen Kreis. Die Länder haben aber auch kaum Geld. Also muss der Bund seine Politik ändern. Es müssen mehr Gelder in die Länder und damit auch in die Kommunen gegeben werden. Stattdessen pocht man auf die schwarze Null oder steckt das Geld in die Rüstung. Das ist für mich nicht nachvollziehbar.

nnz: So einfach ist das ja nicht. Wir haben immer noch Föderalismus.

Steinke: Ja, dennoch kann man an der Verteilungsschraube der auch von den Ländern gezahlten Steuern drehen. Die Länder sollten schon entscheiden. Vor Ort wissen sie am besten, was Fakt ist. Um Entscheidungen fällen zu können, brauche ich aber Geld und das muss der Bund zur Verfügung stellen und mit einwirken. Im Bildungssystem funktioniert der Föderalismus überhaupt nicht. Es kann nicht sein, dass wir 16 verschiedene Systeme in Deutschland haben, hier muss vom Bund gesteuert werden, unter Mitspracherecht der Länder. Dabei sollte es nicht darum gehen, dass Macht abgegeben wird. Man benutzt sein Wissen, um für die besten Bedingungen im Land zu kämpfen, so sehe ich das Amt eines Ministerpräsidenten und einer Ministerin. Und das muss im Bund gesteuert werden. Das sind meine Vorstellungen von Politik. Das Land muss mit den Landkreisen kooperieren und die mit den Kommunen. Dass man nicht alle Blütenträume erfüllen kann ist mir auch klar. Aber zumindest muss man wissen, was von unten nach oben passiert.

nnz: Dafür wäre mehr parteiübergreifender Konsens von Nöten.

Steinke: Ja, das bräuchte man. In vielen kleineren Kommunen gibt es das auch. Wenn eine Gemeinde nichts mehr hat, dann führt die Armut zuweilen auch zu Solidarisierung untereinander. Dann ist es egal, welches Parteibuch der Bürgermeister hat. Die Abgeordneten kämpfen für ihre Kommune. Wenn wir das erreichen würden, auf jeder weiteren Ebene, wäre das ein großer Schritt. Aber leider ist es so nicht. Wenn 80% der Abgeordneten im Bundestag gegen 80% der Bevölkerung entscheiden, bei Mindestlohn, bei Friedensfragen und dergleichen, dann ist das sehr bedenklich.

nnz:Welche Koalitionsoptionen würden Sie nach der Wahl präferieren?

Steinke: Die Linke schafft keine 51%, also brauche ich Partner und die sehe ich im Moment bei der SPD und den Grünen. Mit denen müssen wir das hinkriegen ohne unsere eigenen Maßstäbe aufzugeben. Ich sehe Ansätze bei dem Kandidaten Herrn Schulz. Wenn er das alles umsetzen will, was er angekündigt hat, dann kann er das nur mit den Linken, und ich denke, das weiß er auch. Das Ziel muss eine Mehrheit links von der CDU sein. Was nicht immer einfach ist, wie wir auch in Thüringen sehen.

nnz: Frau Steinke, vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führte Angelo Glashagel

Anm. d. Red.: Kommentare bitte nur mit Klarnamen
Autor: red

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