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Sa, 09:10 Uhr
15.03.2025
Cornelia Wilhelm über Erfahrungen im Beruf

Wie ich zum Handwerk kam und alles begann

Die Anzahl der Frauen im Dachdeckerhandwerk steigt weiter an, befindet sich aber nach wie vor auf niedrigem Niveau. Im Jahr 2023 waren deutschlandweit 256 Frauen auf den Dächern der Republik unterwegs, 2024 waren es dann 350, was einem Zuwachs von 32 Prozent entspricht. Der Anteil der Frauen im Dachdeckerhandwerk insgesamt liegt jedoch weiterhin bei nur 4,1 Prozent.

Das Dachdeckerhandwerk besteht nicht nur aus der Arbeit auf dem Dach (Foto: C.Wilhelm) Das Dachdeckerhandwerk besteht nicht nur aus der Arbeit auf dem Dach (Foto: C.Wilhelm)


Als ich mit 17 meine mittlere Reife in der Tasche hatte, wusste ich erst gar nicht, was ich beruflich machen sollte. Ich habe dann eine Ausbildung zur Kosmetikerin begonnen, weil ich etwas Gestalterisches machen wollte.

Im Jahr 2004, kurz nachdem wir uns kennengelernt haben, fand ich die Idee nicht verkehrt, den großen Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Mein Mann Lars arbeitete zur damaligen Zeit noch beim Bauunternehmen Henning in Urbach als angestellter Dachdeckergeselle. Zur damaligen Zeit hatte ich als selbstständige Versicherungsmaklerin die ersten Berührungspunkte mit dem Finanzwesen.

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Da wir einfach erstmal wissen wollten, ob sich der Schritt in die Selbstständigkeit lohnt, gründete ein Gewerbe und wir wollten einfach erstmal schauen, ob Aufträge kommen würden, während Lars seine Arbeit beim Bauunternehmen Henning weiter behielt. Ich leitete dann die Geschicke des Bauunternehmen Wilhelm und wir boten genormte Fertigteile zum Verkauf an. Wir bewarben damals individuell hergestellte Fachwerk-Carports im Internet. Es war verrückt, aber das lief gleich gut an. Und Lars musste nun den Meister schaffen, damit er legal selbstständig tätig sein konnte.

Gesagt, getan! Am 11. Mai 2007 hatte mein Mann nach einem Vollzeit-Meisterlehrgang seinen Meisterbrief in der Tasche. Die Qualifikation hatte in Vollzeit und mit dem Arbeitsausfall trotz Meister-BaFöG knapp 40.000 Euro gekostet. Das ist erstmal bitter und ohne Kredit ging es nicht: „Einige mussten sogar ihr Auto verkaufen, um die Meisterlehrgang bezahlen zu können“, erzählte mir Lars einmal als er am Abend nach Hause kam. „Und andere wiederum waren durch zu Hause so gut ausgestattet, dass sie schon mit einem Schwingtüren –Mercedes bei der Schule vorfuhren.“

Einer sagte sogar, er habe den Meisterbrief schon in der Tasche, weil sein Vater gut mit dem Chef der zuständigen Handwerkskammer bekannt sei. Oft haben wir zusammen bis in die späten Abendstunden das theoretische Wissen gelernt. Aber die Zeit und das Lernen haben sich gelohnt, denn es machte später bei der Auftragslage natürlich auch einen klaren Vorteil. Bestimmte Bauherren setzten eine Meisterqualifikation voraus und die Beratungsgespräche waren einfach kompetent. Es war eine krasse Zeit. Die Firma Dachdeckermeister Lars Etzrodt war geboren.

Hat Spaß an ihrer Arbeit: Cornelia Wilhelm über ihre Erfahrungen in einer Dchdeckerfirma (Foto: C.Wilhelm) Hat Spaß an ihrer Arbeit: Cornelia Wilhelm über ihre Erfahrungen in einer Dchdeckerfirma (Foto: C.Wilhelm)


Nachdem ich sehr viel praktische Erfahrung sammeln konnte, habe ich mich dann ein weiteres Mal auf die Schulbank gesetzt und meine fundierten Kenntnisse im Handwerk mit dem Abschluss „Bausachverständige für Schäden an Gebäuden und Immobilienwertermittlung“ gekrönt. Dann wurde ich zunehmend bei Streitigkeiten und Auseinandersetzungen eingesetzt, bei denen mein spezielles Fachwissen gefordert war. Insbesondere im Rahmen von selbstständigen Beweisverfahren, die Kunden gegen uns betrieben, die der Ansicht waren, ihre Rechnung nicht bezahlen zu müssen und nach Fehlern gesucht haben. Auch das gibt es und ich habe sie am Ende immer zum Teufel gejagt. Die Weiterbildung hat sich ebenfalls gelohnt. Genauso wie mein Asbestlehrgang (TRGS 519). Damit kann ich den Rückbau von asbesthaltigen Produkten als Sachkundige bis zu einer bestimmten Größe überwachen. Und wir müssen keine externe Aufsichtsperson beauftragen.

Weil mir das immer noch nicht ausreichte und ich meinen Tätigkeitsschwerpunkt neben der Arbeit auch sehr oft ins Büro verlagern muss - Hier mache ich alles – hatte mich dieser Umstand schließlich noch dazu veranlasst, ein duales Studium in Wirtschaftswissenschaften zu absolvieren. Hier kamen mir insbesondere die Bereiche Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsrecht zugute, denn es gibt weiß Gott nicht nur nette Kundschaft auf dieser Erde. Und in bestimmten Dingen muss man einfach keinen Anwalt bemühen. Hier reicht die Kenntnis, wie man beispielsweise einen Werkvertrag rechtssicher ausfertigt oder wie man sich gegen unberechtigte Schadensersatzansprüche oder Mangelrüge zur Wehr setzt. Das lässt sich natürlich auch durch den Bausachverständigen - Lehrgang sehr gut miteinander kombinieren.

Es wird beim Lesen dieses Textes schnell klar: Dachdeckerhandwerk besteht nicht nur aus der Arbeit auf dem Dach, die nachhaltig körperlich sehr schwer ist und den Körper natürlich auch schneller altern lässt, als das bei einer reinen Bürotätigkeit der Fall ist. Dachdeckerhandwerk besteht auch aus sehr viel Theorie und stellt eine große geistige Herausforderung für uns dar.

Was ich Frauen mit auf den Weg geben möchte, die ins Dachdeckerhandwerk möchten:
Frauen können das sehr gut schaffen. Sie können ihren Kollegen auch lange Zeit in nichts nachstehen und sie manchmal sogar noch leistungstechnisch überbieten. Bei mir war immer sehr viel Leidenschaft für das was wir uns aufgebaut haben, mit im Spiel. Sonst hätten wir, glaube ich, auf halber Strecke schon aufgegeben. Man muss sich in einer Männerdomäne natürlich auch durchbeißen als Frau. Man muss sich, vor allen Dingen körperlich auf der Baustelle beweisen. Bei jedem Wetter und die Ruhe bewahren, wenn es stressig wird. Denn Stress ist kein guter Begleiter auf dem Dach.

Weiterhin seid euch im Klaren darüber, dass es immer Menschen gibt, die nicht an euch glauben: „Das schafft der sowieso nicht“ wie bei Lars, bis er seinen Meisterbrief hatte. Oder auch bei meiner Wenigkeit. Natürlich gibt es auch immer viele Neider, die denken, uns geht es richtig gut, weil wir ein Handwerksunternehmen haben. Aber die sehen nicht, dass wir sehr selten in den Urlaub fahren und hier auch am Sonntagabend noch im Büro arbeiten.
Die Sanduhr unserer körperlich schweren Schaffenszeit wird in den nächsten Jahren abgelaufen sein. Über 50 bist Du in diesem Job körperlich am Limit, wenn Du nur draußen bist. Dann geht nur noch eine leichte Tätigkeit draußen oder eine Arbeit im Innenbereich.
Es hat eben alles seinen Preis. Aber die Arbeit macht immer noch viel Spaß und ich bin immer noch sehr stolz, wenn ich sehe, was wir erreicht haben. Ob mit oder ohne Zuspruch auch in den nächsten Jahren. Die Lebenserfahrung nimmt uns keiner!"

Cornelia Wilhelm
Das Dachdeckerhandwerk besteht nicht nur aus der Arbeit auf dem Dach (Foto: Cornelia Wilhelm )
Autor: red

Kommentare
Kobold2
15.03.2025, 10.01 Uhr
Sehr schöne Geschichte
Vieles davon haben mir auch Inhaber und Angestellte von Betrieben erzählt, die ich seit Jahren beliefere.
Frauen sind für mich eine Bereicherung im Handwerkeralltag, aber auch schon lange Normalität.
Von solchen Menschen die machen, anstatt schwatzen brauchen wir viel mehr und von denen, der " das schafft ihr sowieso nicht" Fraktion haben wir leider zu Viele.
Alles Gute für das weitere Berufsleben !
Lautaro
15.03.2025, 12.03 Uhr
Beeindruckend !
Alles gute weiterhin für dieses tatkräftige und sympathische Paar !
Als Kind am Haus eines Handwerkers einen schönen Spruch gelesen.
Wer aufmerksam das Haus beschaut
dass sich der Meister aufgebaut
der denke dann in stiller Ruh
der Fleiß der Frau gehört dazu.
H.Freidenker
16.03.2025, 11.10 Uhr
Hoch lebe das Handwerk
Deutsches Volk,
hüte treulich deinen Handwerksstand!
Denn als das deutsche Handwerk blühte,
blüthe auch das deutsche Land!

Ein Meister ist, wer was ersann,
Ein Geselle ist, wer was kann,
Lehrlinge sind wir alle,Jedermann!

Diese Worte hatten noch große Bedeutung, als ich vor 60 Jahren einen handwerklichen Beruf erlernte!
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