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Dieselautos - günstig, aber giftig

Sonnabend, 10. November 2018, 09:42 Uhr
Eine Bemerkung vorab. Kein „Grüner“, kein Umweltwissenschaftler und kein Journalist hat den seit nunmehr drei Jahren andauernden Hype um den Dieselantrieb zu verantworten. Automobilindustrie und Politik haben die Irritation in unserer Gesellschaft, vom Käufer bis zum Händler, allein verursacht...

„Mehr als 100.000 Tote durch Stickoxide“ titelte die „Welt“ am 15. Mai 2017 (https://www.welt.de/gesundheit/article164592990/Mehr-als-100-000-Tote-jaehrlich-durch-Stickoxide.html), und „Studie: Dieselautos so schmutzig wie Lastwagen“ die FAZ am 06.01.2017 http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/icct-studie-diesel-autos-stossen-mehr-stickoxide-als-lkws-aus-14606781.html.

Neben der Umwelt und der menschlichen Gesundheit leiden besonders die Autohändler unter den betrügerischen Manipulationen ihrer deutschen und internationalen Mutterkonzerne an den Abgassystemen von Personenkraftwagen und unter den damit verbundenen Imageverlusten von Dieselfahrzeugen. Bei ihnen stapeln sich die neuen und gebrauchten Diesel. Branchenverbände befürchten, dass nicht wenige Autoverkäufer die kriminielle Energie der Hersteller mit Pleiten bezahlen müssen.

Welch ein ökologischer Wahnsinn stapelt sich da auf den Autohausparkplätzen, wenn man bedenkt, dass ein einziges Auto in seiner Herstellung etwa 70 Tonnen Material und Ressourcen verbraucht.

Und sei es mit dieser Ressourcenverschleuderung noch nicht genug: Bis zu 10.000 Euro bieten deutsche Hersteller ihren betrogenen Kunden in manchen Regionen, um sie zur „Abgabe“ ihrer als „sauber“ erworbenen, teils noch fast neuwertigen Dreckschleudern mit dem Ziel zu bewegen, aus dem Betrug ein weiteres Mal Profit zu schlagen. Da frage ich mich gerade an einem 9.11., ob die Mauer einst nicht nur ein Desaster von einem anderen Desaster getrennt hat.

Nicht aus ökologischen, wohl aber aus wirtschaftlichen Gründen sieht sich die Automobilindustrie daher immer wieder genötigt, ein Loblied auf den Diesel zu singen: Dass hierbei wirtschaftliche etwaige ökologische Erwägungen bei weitem übersteigen, war einem Spiegel-online-Artikel vom 18.09.2018 zu entnehmen: In ihm wurden einerseits die neuen Diesel-PKW der Euronorm 6d temp als auch im Straßenbetrieb extrem NOx-arm gefeiert. Dass manche Autohändler aber laut Spiegel versuchten, mithilfe der neuerlichen, gern auch Umweltprämie genannten Abwrackprämie nicht nur die Fahrzeuge der 6d temp-Norm, sondern auch die dreckigen Diesel-Neuwagen der Euro 6b und 6c-Norm unters Autofahrervolk zu bringen, kann gewiss nicht auf dem angeblichen Wunsch der Wirtschaft beruhen, zerstörtes Vertrauen zurückzugewinnen. Mit „Hersteller missbrauchen Umweltprämie“ überschrieb Spiegel-online dieses Kapitel. http://www.spiegel.de/auto/aktuell/euro-6d-temp-der-diesel-ist-sauber-und-keiner-merkt-es-a-1228498.html

Denn: „Selbst in der modernsten Schadstoffklasse Euro 6 stoßen viele Diesel-Personenwagen nach einer neuen Analyse des Forscherverbunds ICCT mehr giftige Stickoxide (NOx) aus als neue Lastwagen oder Busse.“ (siehe oben genannter FAZ-Beitrag: „Studie: Dieselautos so schmutzig wie Lastwagen“)

Die zahlreichen Pressebeiträge, die sich unter den Überschriften „Der Diesel ist sauber“ oder „Nie war der Diesel so günstig“ zusammenfassen lassen, sollten daher vom potenziellen Autokäufer sehr genau unter die Lupe genommen werden. Zwischen Euro 6 und Euro 6 können folgenschwere Unterschiede bestehen.

Nebenbei bemerkt: Auch ich fahre einen alten Diesel. Das Fahrzeug erfüllt die Abgasvorgaben der Euro 4-Norm und wäre NOx-bedingt in immer mehr Städten von Fahrverboten betroffen. Eisern widerstand ich aber den historischen und gegenwärtigen Abwrackprämien der Hersteller. Wohlwissend, dass ich mein Auto (nur 90 PS) mindestens 20 Jahre fahren muss, um allein die bei seiner Herstellung freigesetzten Treibhausgase zu „kompensieren“. Mit anderen Worten: Hinsichtlich der Treibhausgasemissionen und des Ressourcenverbrauchs ist es keinesfalls sinnvoll, ein Auto bereits nach wenigen Jahren mit Hilfe von Abwrack- oder noch schlimmer, so genannten „Umweltprämien“ durch ein neues zu ersetzen, auch wenn dies die Hersteller gern möchten.

Denn leider werden die mit der PKW-Herstellung und dem PKW-Betrieb verbundenen so genannten „externen Kosten“, also die Begleichung jener Schäden, die wir Menschen nicht mit dem Kaufpreis für ein Auto bezahlen, der jetzt lebenden Allgemeinheit und, besonders fatal, künftigen Generationen z.B. in Form des Klimawandels und der allgemeinen Eutrophierung der Landschaft durch NOx aufgebürdet. Nach einer Studie der TU Dresden zahlen die deutschen Autofahrer mit Steuern und Abgaben 50 Mrd. Euro, verursachen aber Schäden (durch Unfälle, Umweltschäden etc. von rund 90 Mrd. Euro), die der Allgemeinheit und vor allem unseren Nachfahren, aufgehalst werden. http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/studie-autofahrer-verursachen-hoehere-kosten-als-sie-abgaben-zahlen-12085783.html

Die Überschriften zahlreicher Pressebeiträge, die sich unter der Überschrift „Der Diesel ist sauber“ zusammenfassen lassen, macht eines klar: Nicht die Gesundheit der Menschen oder gar die Umwelt liegt den Autokonzernen und ihren Händlern am Herzen, - es geht ihnen einzig und allein um den Profit. Man braucht ja Zeitungsüberschriften wie: „Mehr als 100.000 Tote durch Stickoxide“ (www.welt.de) und z.B. „So viel billiger werden Diesel“ (www.autobild.de) oder „Dieselaffäre: Neuwagen so billig wie nie“ (Frankfurter Rundschau www.fr.de), nur nebeneinander zu legen - mehr Widerspruch geht nicht.

Richtigerweise wird von Autoexperten benannt, dass Elektroautos ökologisch und ökonomisch nach wie vor keine Alternative zum Diesel oder zum Benziner darstellen: Denn auch diese verbrauchen unwiederbringliche Ressourcen und ein Großteil des von ihnen genutzten Stroms entstammt nach wie vor der klimaschädlichen Kohleverbrennung. Nicht nachzuvollziehen ist jedoch, dass der Diesel gerade angesichts der verlogenen Werbung früherer Jahre und der dann herausgekommenen Abgasmanipulationen als „ökologisch“ beworben wird: Kein Auto ist wirklich ökologisch tragbar. Und von den weniger schlimmen Dieseln der Euro 6 d temp-Norm wurden laut Spiegel-Online innerhalb von 12 Monaten gerademal 40.000 in Deutschland unter die Leute gebracht. Die Masse der gelagerten Diesel sind dreckige PKWs früherer Abgasnormen. Aussagen, wie „Es werde ökonomisch wie ökologisch in den kommenden Jahren keine Alternative zum Diesel geben“, basieren daher zumindest momentan einzig und allein auf dem Wunsch der Autowirtschaft, den von ihr selbst angerichteten Imageschaden des Direkteinspritzers kleinzureden.

Besonders makaber wird es jedoch, wenn sich Vertreter der Autoindustrie einerseits darüber beklagen, dass bei uns zunehmend mit Fahrverboten belegte Diesel u.a. in Osteuropa auf Grund der dort herrschenden laxeren Umweltgesetzgebung rollen dürfen. Denn andererseits sind sie es ja, die an dieser Globalisierung der NOx-Belastung leidlich verdienen - und denen die Gesundheit anderer Europäer offenbar komplett egal ist:

Der Beitrag u.a. im Deutschlandfunk https://www.deutschlandfunkkultur.de/alte-diesel-fahrzeuge-jetzt-sollen-sie-in-osteuropa-stinken.1008.de.html?dram:article_id=430052) belegt, dass die die Abgassysteme manipulierenden Konzerne nicht nur durch Rabattsysteme für geprellte Kunden im Inland, sondern zusätzlich durch den Verkauf der in Deutschland verpönten Dreckschleudern ins Ausland Profit schlagen.

Und hier versagt die viel gepriesene EU. Schließlich kennen ökologische Probleme keine Grenzen. Der in Bulgarien durch ausrangierte deutsche Dieselfahrzeuge erzeugte Dreck wirkt sich letztlich global aus.

In einem Punkt ist den Vertretern der Autowirtschaft bezüglich der Ökologie des Diesels jedoch recht zu geben: Ein Diesel stößt im Vergleich zu einem Benziner gleicher Leistung 20 bis 30 Prozent weniger CO2 aus. Allein aus diesem Punkt heraus sollten alle Dieselbesitzer ihre Diesel so lange wie möglich fahren. NOx-gerierte Fahrverbote werden sie überwiegend nur in wenigen Großstädten antreffen. – Nicht auszudenken, was mit der deutschen Klimabilanz passierte, wenn alle Diesel in Deutschland durch Benziner ersetzt werden würden. So widersprüchlich kann Ökologie sein.

Unter dem Strich bleibt nur, die schadstofffreien Antriebe und die schadstofffreie Energieerzeugung ebenso voranzubringen wie die nachhaltige Produktion der Autos in Verbindung mit einer Reduktion des Individualverkehrs.

Am Ende steht ein fader Beigeschmack der Dieseldiskussion: Denn auch, wenn sich einige Konzerne unter massivem Druck jüngst zu (allerdings flächendeckend als zu lasch und zu langsam wirkenden) Hardwarenachrüstungen verpflichtet haben, hat das gut funktionierende Konglomerat aus Politik und Konzernen den Dieselskandal ebenso gemeinsam zu verantworten, wie die weiterhin steigenden Emissionen von Treibhausgasen durch die Produkte der Automobilindustrie.

Ob diese Erfahrungen der Bevölkerung mit der Verkehrspolitik und der Autowerbung gut für ihr ökologisches und Demokratieverständnis sind, und für ihr Vertrauen in deutsche Automobilkonzerne und –händler, das wird sich noch zeigen.

Ein wenig mehr Selbstkritik gegenüber den Millionen geprellten Kunden in aller Welt stünde der gesamten Automobilwirtschaft gut zu Gesicht. Während manche ihrer Führungsfiguren in Haft saßen oder sitzen, während hunderte Ermittlungsverfahren laufen, versuchen die Hersteller dennoch nach wie vor ungehemmt zu tricksen. Wie wir mit dieser Wirtschaft und der mit ihr verbandelten Politik unseren Planeten retten wollen, bleibt mir ein Rätsel.
Bodo Schwarzberg
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Autor: red

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