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Leserreaktion

Zum Umgang mit dem Waldsterben

Sonntag, 11. August 2019, 11:43 Uhr
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Zum eben erst veröffentlichten Artikel von Hauke Zirfas zum Thema Waldsterben gibt es bereits eine Reaktion unserer Lesers Bodo Schwarzberg.

Zunächst einmal ist es zu begrüßen, dass das Thema Klimawandel und Waldsterben als das gegenüber dem Gipsabbau noch größere, da globalere Problem, unter den Naturschützern des Landkreises Nordhausen verstärkt erkannt und aufgenommen wird, was natürlich keinesfalls heißt, die abbaggerung unserer Heimat zu ignorieren.

Hauke Zierfas benennt die Fichte als eine Baumart der nördlichen Taiga. Es gibt jedoch auch autochthone Bestände in Mitteleuropa, so auch in Thüringen und im Hochharz. Die Fichte ist eine heimische Baumart. Dass sie weithin als Forstbaum naturnahe Laubmischwälder und bei uns insbesondere verschiedene Buchenwaldgesellschaften ersetzt hat, ist, Zirfas schreibt es, eine der ganz großen Verfehlungen mitteleuropäischer Forstwirtschaft im Interesse schneller Gewinne.

Hier ist, ganz unstrittig, ein schnelles Umdenken und vor allem ein neues Handeln nötig. Ich hätte mir gewünscht, dass Herr Zirfas verstärkt darauf eingeht, dass bereits seit Jahrzehnten von fachkompetenter Seite auf die Notwendigkeit hingewiesen wurde, naturnahe Mischwälder zu revitalisieren, dass also das Verdrängen eine lange, lange Geschichte hat.

Diese Forderung gab es z.B. bereits in den 80er Jahren, als die Fichtenforsten infolge des so genannten, vor allem von Schwefeldioxidemissionen aus der Braunkohlenindustrie verursachten, sauren Regens flächig abstarben. Doch kaum war es vorbei mit dem Waldsterben 1.0, machte die Forstwirtschaft überwiegend weiter, wie gewohnt und setzte vor allem auf ihren alten Brotbaum.

Das größte Problem für den Wald aber ist nicht die Fichten-Monokultur, sondern der ungebremste Ausstoß von Treibhausgasen, da dieser letztlich zum Absterben der Fichtenforsten und anderer Waldgesellschaften führt. Auf die Notwendigkeit, als wichtigste Maßnahme deren Emissionen zu senken, ist Herr Zirfas leider nicht eingegangen.

Zudem hätte ich mir gewünscht, unter den gegebenen Bedingungen auch die Chancen zu sehen, die das Zulassen einer natürlichen Sukzession in den nun sterbenden Wäldern bietet. Wir sollten sie, und das sagen einige Forstwissenschaftler, einfach mal in Ruhe lassen. Es werden sich Baumarten entwickeln, die den gegenwärtig sich einstellenden Verhältnissen am besten entsprechen. Daraus können wir mehr lernen, als durch das gezielte Einbringen von Baumarten, die wir Menschen für geeignet halten.Nicht zuletzt ließen sich die Milliarden-Investitionen, die Wideraufforstung kosten kann, deutlich senken.

Dass die Buche eine Baumart mit einer großen genetischen Variationsbreite ist, kommt mir in dem Beitrag von Hauke Zierfas ebenfalls zu kurz. Wenn schon forstliche Eingriffe in der gegenwärtigen Situation, sollte man z.B. auf Buchengenotypen zurückgreifen, die resistenter gegen länger anhaltende Trockenheit sind. Derartige Genotypen gibt es zu Beispiel auf dem Balkan, aber möglicherweise auch bei uns im Südharz. So widerstehen Buchen seit Jahrhunderten den teils extremen Bedingungen an stark sonnenexponierten Standorten im NSG Alter Stolberg. Hermann Meusel schreibt über solche Buchenbestände 1939 in seinem Werk die „Vegetationsverhältnisse der Gipsberge im Kyffhäuser und im südlichen Harzvorland.“

Zudem ist allzu viel Alarmismus, wie in dem Beitrag, einerseits richtig und notwendig. Auch ich selbst habe mich da bereits „schuldig“ gemacht. Psychologen aber warnen davor, dass genau dieser Alarmismus Menschen abschrecken kann. Denn der angstauslösende Moment dieser Formulierungen erzeugt oft nicht das, was zu erreichen absolut notwendig wäre: nicht ein Umdenken und nicht umsteuernde Aktivität, sondern Angst, die in Lethargie und Verharren im Gewohnten, ja Protest gegen das Umweltanliegen enden könnte.

Von daher halte ich es für notwendig, über die Inhalte und die Formulierungen in umweltbezogenen Beiträgen neu nachzudenken und dabei insbesondere den Begriff "kognitive Dissonanz" einzubeziehen. Er beschreibt grob gesagt die unterschiedlichen Möglichkeiten, auf oft schmerzliche Erkenntnisse zu reagieren. Die Reaktion des Menschen auf desaströse Umweltentwicklungen aber ist entscheidend dafür, ob wir noch die Chance haben, sie zu stoppen.
Bodo Schwarzberg
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Autor: red

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