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Herzlich willkommen im neuen Jahr

Betrachtet: Die Irrfahrt der Thüringer CDU

Freitag, 10. Januar 2020, 19:00 Uhr
Als ob das Abschneiden der CDU bei der Landtagswahl im vergangenen Jahr nicht schon desaströs genug wäre, je irren die sich selbst als Führung ernannten Christdemokraten völlig aufgelöst durch die politische Landschaft. Selbst hier oben, im immer mal wieder vernachlässigten Norden, wird einem Angst und Bange...

Umfrageergebnis (Foto: nnz) Umfrageergebnis (Foto: nnz) 60 Prozent der Leser votierten gegen eine Koalition/Zusammenarbeit

Ja, das waren noch Zeiten, in denen schwarze Politiker die Massen begeistern konnten. Sprüche hatten die drauf, die man durchaus zu glauben vermochte. Zum Beispiel: "Erst das Land, dann die Partei, dann die Person!"

Skeptische Beobachter des Politikbetriebes hegten damals schon ihre Zweifel und verbannten diesen wohlfeilen, ans Volk gerichteten Satz in die Phrasenschublade. Und da sollte er auch bleiben, denn im Jahr 2020 lassen sich Mitglieder und das interessierte Volk nicht mehr blenden, um das alles vorsichtig auszudrücken.

Doch die Denker und Noch-Lenker der freistaatlichen Christdemokratie haben sich nach dem vorausgesagten Wahlschock scheinbar gut erholt, haben intern klausurgetagt und eine hahnebüchende Strategie entworfen, in deren Mittelpunkt die Antwort auf eine, auf die entscheidende Frage allen politischen Handelns steht: Wie kann ich als drittstärkste Kraft im Land (nach Linke und AfD) wenigstens noch ein Zipfelchen der Macht in meinen "Händen" halten? Die Strategen nennen das eingangs der Zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts so: wir müssen sehen, wie wir mit gestalten können.

Und dazu ist den Herren Moring, Voigt oder auch Alt-MP Althaus nahezu jedes Mittel Recht. Selbst das Kuscheln im Bett mit der Linke, die man noch vor der Wahl 2019 als das teuflischte Weihwasser jüngster deutscher Geschichte ansah. "Keine Koalition oder andere jegliche Zusammenarbeit mit Linke und AfD", tönte es aus allen Wahlkampfrohren. Etwas ältere Menschen, so wie ich, fühlten sich gar in die Zeiten der Rote-Socken-Kampagne zurückversetzt. Damals wurde die PDS nicht einmal in den Reigen der demokratischen Parteien aufgenommen, obwohl die Sozialisten immer stramme Ergebnisse in Thüringen einfuhren und der CDU schon 2009 beachtlich nahe kamen.

Und nach der Septemberwahl im vergangenen Jahr? Plötzlich soll sich die Linke, also die damalige PDS so grundlegend geändert haben? Jetzt sollen Landtagsabgeordnete, die nahezu die Hälfte ihres aktiven Lebens in der Politik verbracht haben, nicht mehr antidemokratisch, nicht mehr kommunistisch sein, nicht mehr von Enteignung reden oder das kapitalistisches System überwinden wollen?

Echt mal, ihr Vor- und Nachdenker der Thüringer Christdemokratie, für wie dumm haltet ihr denn den gemeinen Freistaatler? Für wie unterwürfig Eure eigene Parteibasis? Selbst, wenn Haltungen und Programme der CDU nicht mehr das Papier wert sind, auf dem sie einst gedruckt wurden, soll hier exemplarisch erinnert werden. Zum Beispiel bei der Migration: Mit dem Jahr 2019 werden es mehr als zwei Millionen Menschen sein, die Asyl in Deutschland gesucht, zum geringen Teil per Status auch gefunden haben. Diejenigen, die unser Land eigentlich verlassen müssten, weil das Gerichte endgültig so entschieden haben, die dürfen verweilen und bei ihren Verwandten in den Herkunftsländern urlauben. Das alles unter Duldung auch der CDU, die sich als die Partei der Rechtsstaatlichkeit darstellt.

Zum Vergleich: Ins Regierungsprogramm für die Legislatur 2013 bis 2017 schrieben sich die deutschen Christdemokraten folgende Sätze hinein: "Wer unsere Unterstützung will, muss durch sein Verhalten den Willen zur Integration deutlich machen. Wer sich seinen Pflichten entzieht, muss mit Folgen für seinen Aufenthaltsstatus und seine Leistungsansprüche rechnen." Das ist auf Seite 41 zu finden und eine Seite weiter ist zu lesen: "Eine Zuwanderung, die darauf gerichtet ist, die europäische Freizügigkeit zu missbrauchen und die sozialen Sicherungssysteme unseres Landes auszunutzen, lehnen wir ab."

Und nun soll man gerade Teilen der Thüringer CDU-Elite glauben, dass ihnen bei dem Machtpoker das Land am wichtigsten sei? Und nicht die Person, vorzugsweise die eigene?

Wer sich jetzt schon an der Basis, zum Beispiel in Nordhausen umhört, der bekommt die Zerrissenheit tagtäglich auf die Ohren. Die Bandbreite der Aussagen reicht vom Nachplappern der offiziell herausgegebenen Parolen wie der Möglichkeit der Gestaltung oder des Schaffens stabiler Regierungsverhältnisse, über Kopfschütteln, dem Verfolgen von Austrittsgedanken bis hin zum anschließenden Parteiwechsel. Und dabei geht die Wechselrichtung beileibe nicht nach links.

Es gibt momentan zwei Lager in diesem grünen Herzen Deutschlands, die sich jetzt schon als Sieger wähnen dürfen und die vielleicht auch Ausdruck der künftige Machtverhältnisse sind: das sind die Linke, voran an strategisch äußerst klug agierender Bodo Ramelow und das wird die AfD sein. Wenn die CDU-Führung nicht endlich ehrlich in ihre Basis hineinhört, dann wird sie den Weg gehen, den die andere einstige Volkspartei bereits geht - in die Einstellig- und damit Bedeutungslosigkeit. Das würde selbst mich grämen, denn eine ehrliche und konstruktive konservative Kraft hätte das Parteienspektrum in Deutschland schon mal verdient.

Das eigentliche Dilemma an dieser Feststellung: es gab sie ja einmal und sie heißt immer noch CDU. Und deshalb zum Schluss noch ein Blick zurück, diesmal auf das Regierungsprogramm der CDU aus dem Jahr 2002: "Deutschland muss Zuwanderung stärker steuern und begrenzen als bisher. Zuwanderung kann kein Ausweg aus den demografischen Veränderungen in Deutschland sein. Wir erteilen einer Ausweitung der Zuwanderung aus Drittstaaten eine klare Absage, denn sie würde die Integrationsfähigkeit unserer Gesellschaft überfordern. Verstärkte Zuwanderung würde den inneren Frieden gefährden und radikalen Kräften Vorschub leisten.”

Aktuell ist die Zuwanderungspolitik der Bundesregierung immer noch das dringendste Problem der Deutschen. Im Deutschlandtrend der ARD sehen das 31 Prozent so, danach folgen Umwelt und Klimaschutz, Bildung und soziale Ungleichheit.
Peter-Stefan Greiner
Autor: red

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