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Wahl des Thüringer Ministerpräsidenten wird verschoben

Mohrings Tanz auf dem Vulkan

Mittwoch, 15. Januar 2020, 10:23 Uhr
Kein Ende ist auch knapp drei Monate nach der Thüringen-Wahl in der Regierungsfindung abzusehen. Dabei hat es besonders einer der Protagonisten schwer, sich als Zünglein an der Waage zu positionieren. Eine Betrachtung von Olaf Schulze...

Mike Mohring im Wahlkampf (Foto: oas) Mike Mohring im Wahlkampf (Foto: oas)
Mike Mohring in Wolkramshausen während des Thüringer Wahlkampfes im September 2019

Die Bildung einer Thüringer Landesregierung tritt in eine neue Phase des Zögern und Zauderns ein. Wollte die Spitze von Ministerpräsident Ramelows Regierungspartei seine Wiederwahl für den 5. oder 6. Februar anberaumen, so hat sich mittlerweile Mike Mohring mehr Zeit ausgebeten. Ich schreibe hier bewusst Mike Mohring und nicht „die CDU“, denn ob die Thüringer Christdemokraten und vor allem deren Wähler noch hinter dem extremen Schlingerkurs stehen, den ihr Vorsitzender gerade steuert, ist mehr als fraglich.

In Teilen der Kreisverbände Nordhausen und Kyffhäuser zumindest ist die Stimmungslage eher als gereizt und unzufrieden zu kennzeichnen. Im Eichsfeld scheint sich die parteiinterne WerteUnion signifikanten Zulaufs zu erfreuen, wie letzte Woche in Niederorschel festzustellen war. Zusätzlich hat sich gerade ein Liberal-Konservativer Kreis unter Bundestagsabgeordneten der CDU/CSU und FDP gegründet, der ebenfalls die aktuelle Parteipolitik unter Merkel und Kramp-Karrenbauer in Frage stellt. Mohring dürfte also angesichts der offenen Grundsatzentscheidung Mühe haben, seine Reihen geschlossen zu halten. Von einer „Prokjektregierung“, wie sie der einstige Ministerpräsident Dieter Althaus vorschlug, ist offiziell keine Rede mehr, aber mit gemeinsamen Abendessen der Thüringer Parteigranden am Montagabend wird sie weiter vorbereitet.

Mohrings Fraktion will jetzt eine Liste mit Projekten festlegen, die aus seiner Sicht für die Zukunft des Landes wichtig sind. Das ist insofern verwunderlich, weil er das ja wohl in seinem Wahlprogramm voriges Jahr bereits getan hat. Oder haben sich die Schwerpunkte wie beispielsweise mehr Polizisten, bessere Finanzierung der Kommunen, klare Linie bei Asylverfahren und Abschiebungen, Verbesserung der ländlichen Infrastruktur oder Vermeidung massiven Unterrichtsausfalls inzwischen verändert?

Wenn seine Fraktion in diesen Punkten mit der rot-rot-grünen Minderheitsregierung übereinstimmt, dann kann sie doch einfach im Landtag den Anträgen zustimmen oder selbst Anträge einbringen und um Zustimmung werben. Das nennt man dann parlamentarische Arbeit. Wenn aber die Opposition im Vorfeld der Legislaturperiode mit der Regierung abstimmt, bei welchen Themen sie deren Vorhaben unterstützen wird, dann ist das ein sozialistischer Vierjahresplan.

Wenn sich Mohring nach seinen ungeschickten Koalitions-Festlegungen im Wahlkampf heute unsicher ist, wohin er das angeschlagene Schlachtschiff CDU manövrieren soll - ob eher nach links in den sicheren Hafen medialen und zivilgesellschaftlichen Wohlwollens oder doch eher nach rechts an die rauen und brodelnden Gestade bürgerlichen und konservativ-rechten Widerstands - dann braucht er doch nur seine Thüringer Parteimitglieder befragen. Die sind nämlich vor Ort die Vertreter der CDU-Wähler und nicht der Wahlverlierer Mohring, der seine Ziele klar verfehlt hat.

Einen andere Möglichkeit wäre es, den ohnehin nach Artikel 21 des Grundgesetzes („Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen.“) eigentlich unzulässigen Fraktionszwang aufzuheben und sich als Abgeordneter namentlich zu bekennen, ob fürderhin eine sozialistische Minderheitsregierung an der Macht gehalten wird oder nicht. Das wäre eine Gewissensentscheidung und damit dem landläufigen Demokratieverständnis näher als die permanente und bedingungslose Unterstützung einer Parteispitze, wie wir sie bei allen unseren Parteien erleben.

„Abwahl der rot-rot-grünen Regierung“ und „Keine Zusammenarbeit mit der Linken“ waren die beiden großen Slogan der Thüringer CDU im Wahlkampf. Die erste Forderung ist erreicht worden. Wenn die CDU aber nicht weiter der SPD in den politischen Abgrund der Bedeutungslosigkeit hinterher klettern möchte, dann sollte sie auch die zweite erfüllen. Alles andere ist dem Wahlvolk nicht zu vermitteln. Ein bisschen regieren geht nicht und auch ein bisschen Opposition ist unmöglich. Vernünftige Anträge in den Landtag einbringen oder vernünftigen Anträgen nach Kompromissfindungen mit den anderen Fraktionen zuzustimmen, wird jedoch nicht unmöglich sein.

Die entscheidende Schwierigkeit ist aber der allererste Schritt: die erneute Wahl eines sozialistischen Ministerpräsidenten im Thüringer Parlament. Das geht nur, wenn Teile der Opposition dem Linken Bodo Ramelow ihre Stimme geben. Ramelow ist wiederum nicht nur ein bisschen Sozialist, sondern ganz und gar. Und auch wenn die Medien verbal darum herum eiern und immer wieder neue Sprachschöpfungen kreieren bleibt es dabei, dass er eine sozialistische Regierung mit einem sozialistisch ausgerichteten Programm in Thüringen weiterführen will, ohne eine mehrheitlichen Wählerauftrag dafür zu haben.

Die Frage, ob es einen demokratischen Sozialismus unter Mitwirkung der CDU nach den historischen Erfahrungen mit Stalin, der DDR oder im Angesicht der derzeitigen chinesischen und venezolanischen Führung geben kann, müssen sich dabei zumindest die CDU-Abgeordneten stellen. Ihre Kollegen von der AfD und FDP haben dazu bereits eine klar ablehnende Antwort gegeben.
Olaf Schulze
Autor: osch

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