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Open-Air Konzertreihe in Heringen geplant

Dem Virus zum Trotze

Donnerstag, 28. Mai 2020, 14:51 Uhr
Keine Volksfeste, keine Festivals, keine Festspiele - Großveranstaltungen sind bis Ende August weitestgehend verboten. Theater und Loh-Orchester wollen jetzt einen Weg gefunden haben, trotz Corona ein sattes Kulturprogramm an der frischen Luft unter die Leute zu bringen. Wie das funktionieren soll und was geboten wird, das erklärte man heute in Heringen…

Theaterintendant Daniel Klajner (rechts) und Heringens Bürgermeister Maik Schröter wollen wieder etwas Kultur unter die Leute bringen. Trotz Corona. (Foto: agl) Theaterintendant Daniel Klajner (rechts) und Heringens Bürgermeister Maik Schröter wollen wieder etwas Kultur unter die Leute bringen. Trotz Corona. (Foto: agl)

Die Nordhäuser Kulturszene zeichnete sich in der Vergangenheit, gerade auch in Krisenzeiten, durch ihren ungebrochenen Optimismus und ihre Umtriebigkeit aus. Als in Europa der erste Weltkrieg tobte, baute man in Nordhausen das Theater. Als der zweite, große Krieg über die Stadt hinweggefegt war, gehörte die Spielstätte zu den ersten Gebäuden, die wiedererrichtet wurden.

An die Corona-Krise mag man einen anderen Maßstab anlegen, eine Krise bleibt sie doch. Und in derlei Zeiten war Kultur den Menschen immer ein Balsam, war Ablenkung vom Alltag. Eben dass wollen Theater und Loh-Orchester diesen Sommer wieder bieten, trotz Corona. Insgesamt 15 Konzerte, darunter Musicalnummern, Orchester- und Operettenkonzerte, plant man auf dem Heringer Schlossplatz aufzuführen.

Entgegen der Gepflogenheiten des Kulturbetriebes stand heute aber nicht das Programm im Mittelpunkt, nicht das „Was“, sondern das „Wie?“. Fast Tausend Zuschauer je Konzert sollen sich ab dem 26. Juni vor der herrschaftlichen Kulisse des Schlosses einfinden können. Und zwar ohne Ansteckungsrisiko, verspricht Theaterintendant Klajner. „Sie werden hier sicherer sein als in jedem Supermarkt, dass ist die Garantie, die wir als Veranstalter abgeben. Für das Publikum ist das die vielleicht die wichtigste Botschaft. Es gibt hier keine Gefahr.“ Man habe sich „minutiös“ an der aktuellen Thüringer Verordnung abgearbeitet, um maximalen Infektionsschutz nach den amtlichen Vorgaben bieten zu können.

Möglich werden soll das Experiment dank der Gegebenheiten des Platzes. Die Fläche wird in vier Quadranten aufgeteilt, über die in entsprechendem Abstand 256 Tische verteilt werden. Der Zugang zu jedem Bereich erfolgt über eine separaten Eingang, die Wege werden als „Einbahnstraßen“ angelegt. Jedem Besucher steht mindestens ein Tisch zur Verfügung, maximal können vier Besucher Platz nehmen, die aus demselben Haushalt stammen, oder einen befreundeten Haushalt begleiten. Bei voller Auslastung käme man so auf eine höchstmögliche Besucheranzahl von 996 Personen, rechnet Klajner vor.

Alle Oberflächen werden vor dem Konzert gereinigt und desinfiziert, die WC’s der jeweiligen Quadranten erhalten zusätzlich vor der Pause eine Grundreinigung und werden, wie die Eingangsbereiche, mit Desinfektionsmittel bestückt. Am Einlass erfolgt auch die Überprüfung auf mögliche Krankheitssymptome: wer hustet wird nicht auf den Platz gelassen. Am Sitzplatz müssen Besucher ihre Personalien in bereitgestellte Dokumente eintragen, die dann vom Theater zum Zwecke der Nachverfolgung für vier Wochen aufbewahrt werden. Hat man sich einmal niedergelassen, darf der auch Mund-Nasen-Schutz, der sonst zu tragen ist, abgenommen werden.

Die vier "Quadranten" sind auf dem Schlossplatz schon jetzt visuell vorhanden (Foto: agl) Die vier "Quadranten" sind auf dem Schlossplatz schon jetzt visuell vorhanden (Foto: agl)

Das gilt auch für die Musiker und Sänger - erst wenn die eigene Partie dran ist, darf der Schutz entfernt werden. Streicher haben 1,5 Meter Abstand zu halten, bei den Bläsern müssen es zwei Meter sein, die Blechbläser benötigen außerdem einen Plexiglasschutz. Für das Orchester stützt sich Theaterintendant Klajner auf wissenschaftliche Untersuchungen, die mit den Berliner Philhamonikern durchgeführt wurden. Über einen separaten Zugang für die Künstler, Online-Verkauf, Abstandsregeln und Warnhinweise will man so dafür sorgen, dass sich weder das Publikum untereinander noch mit den Mitarbeitern des Theaters vermischt.

In Heringen freut man sich über die Initiative des Kulturbetriebs. Der Wegfall vieler Veranstaltungen sei eine Art „Kulturschock“ gewesen, sagte Heringens Bürgermeister, Maik Schröter. Man sei Stolz, dass die Wahl nun auf das Schloss gefallen ist und hofft, dass die Wiederbelebung einen kleinen Ausgleich zu dem schaffen kann, was den Menschen im Frühling verwehrt geblieben ist. Von den zuständigen Stellen hat man bis dato grünes Licht, sollten sich die Rahmenbedingungen ändern, sei es durch weitere Lockerungen oder erneute Beschränkungen, werde das Konzept angepasst.

Die Heringer schlagen damit, ungewollt, den Sondershäusern ein Schnippchen, denen es nicht gelungen war für ihre Schlossfestspiele ein schlüssiges Konzept zu finden. Warum, das kann auch Theaterintendant Klajner nicht abschließend klären, fest steht nur, dass es in Sondershausen dieses Jahr nichts wird.

Dafür wird man vor dem Heringer Wahrzeichen ordentlich auffahren. Für die Musicalrevue „Broadway Forever“ konnte man auf einige namhafte Solisten wie Femke Soetenga zurückgreifen, die eigentlich in der aktuellen Spielzeit im großen Haus hätten auftreten sollen und die nun Stücke aus den „Drei Musketieren“ zum Besten geben werden. Das Orchester- und Operettenprogramm wird man mit den Künstlern aus den eigenen Reihen bestreiten.

Dem musikalischen Genuss werden die Coronabedingungen keinen Abbruch tun, verspricht Klajner, der von Haus aus auch Dirigent ist. Für die Versorgung mit kulinarischem Beiwerk werden die Gäste aber selber sorgen müssen, ein Catering ist unter den Vorgaben des Hygienekonzeptes nicht möglich. Der Schweizer sieht darin auch eine Chance. „Jeder Gast ist eingeladen, wenn er mag, sein eigenes Essen und Trinken mitzubringen, um die Galaveranstaltung zu einem ganzheitlichen Genussabend werden zu lassen. Ich würde vor so einem Konzert den ganzen Tag in der Küche stehen“, erzählt Klajner.

Die Kartenpreise variieren je nach Sitzplatz und Altersklasse zwischen 30 Euro nahe der Bühne und dem ermäßigten Eintritt für Kinder á 10 Euro in den zwei hinteren Bereichen. Der Kartenvorverkauf beginnt am morgigen Freitag, weitere Informationen zur Durchführung und dem Programm finden sich auf der Website des Theaters. Sollte das Wetter sich nicht genehm zeigen, sind entgegen der Tradition auch Regenschirme erlaubt, die Bühne ist überdacht. „Wenn es nicht gerade stürmt, dann werden wir spielen“, so der Intendant.

Übrigens: das eigentliche Heringer Schlossfest findet nach dem aktuellen Stand der Dinge im September wie geplant statt, wenn auch in etwas kleinerem Rahmen. Ein Aufwand, wie ihn das Theater jetzt betreibt, wird der Interessengemeinschaft des Schlosses dann hoffentlich erspart bleiben - das Verbot von Großveranstaltungen sollte, wenn alles gut geht, bis dahin gefallen sein.
Angelo Glashagel
Autor: red

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