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Eine erste Bestandsaufnahme der Wacker-Insolvenz

Absehbar trauriges Ende

Sonnabend, 27. Juni 2020, 12:00 Uhr
Nun ist es doch passiert. Was die meisten Wackerfans nicht wahrhaben wollten, viele jedoch schon befürchteten, ist eingetreten: die marode Spielbetriebs GmbH zieht den gesamten Nordhäuser Fußballverein mit in Richtung Abgrund. Olaf Schulze mit einem Versuch, die gegenwärtige Situation zu deuten …

Quo vadis Wacker Nordhausen? (Foto: oas) Quo vadis Wacker Nordhausen? (Foto: oas)

Die Herkulesaufgabe war wohl nicht zu schultern und das mutige Flaggezeigen für die „Herzensangelegenheit Wacker“ reicht nicht aus, wenn die erhofften Geldgeber nicht mitspielen. Schnell war es still geworden um das vor knapp zwei Wochen neu gewählte Präsidium des FSV Wacker 90. Versprühte die überraschende Wahl des jungen Präsidiums um den Ex-Torjäger Torsten Klaus noch am Wahlabend einen sanften Euphoriehauch, so war der schon am Wochenende verflogen, als nicht einer der fünf Präsidialen Zeit fand, einer Einladung des Fanbeirates zu folgen und das Konzept der neuen Führung zu erklären. Man wolle Sponsorengespräche führen, hieß es kurz und knapp. Auch eine Woche und eine weitere Insolvenzanmeldung danach fand kein Präsidiumsmitglied den Weg zum Fantreffen oder entschuldigte sich wenigstens, dass er die Einladung nicht annehmen könnte. Doch dazu später noch mehr.

Dann stellte der Verein ein Interview mit Torsten Klaus auf die Homepage, in dem er inhaltlich nicht mehr zum Ausdruck brachte als am Tag seiner Wahl und nahm es gleich wieder herunter. Nach elf Tagen des Schweigens, in der Präsident Klaus zumindest für die nnz und den KICKER - aber auch für viele andere, die es versuchten - nicht zu erreichen war und kein Wort über das Wirken des Präsidiums an die Öffentlichkeit gelangte, kam am Donnerstagnachmittag die ernüchternde Botschaft. Die Regionalliga-Mannschaft wird abgemeldet und für den eingetragenen Verein FSV Wacker 90 wird ein Insolvenzverfahren beantragt. Nach erster Sichtung der Unterlagen sei der Schritt unumgänglich, hieß es in der schmallippigen Erklärung.

Stellt sich die Frage, warum das neue Präsidium nicht schon vor seiner Wahl um Akteneinsicht bat. Es war doch bekannt, dass die Rumpftruppe des ehemaligen Kleofas-Präsidiums schon im April die geringen Zuschüsse für die Spielergehälter nicht mehr zahlen und die Forderungen von Krankenkassen sowie Berufsgenossenschaft nicht mehr bedienen konnte. Auch weil die verbliebenen Sponsoren sich angesichts des ausbleibenden Rücktritts des alten Präsidenten immer weiter zurückgezogen hatten.

Nun also nach der Pleite der Spielbetriebs GmbH in einsamer Entscheidung und ohne Rücksprachen mit dem neu gewählten Ehrenrat, der ja eine beratende Funktion für die Youngster im Präsidium einnehmen wollte, die Vereins-Insolvenz. Unverständlich für den ehemaligen Wackerpräsidenten Bernd Seidenstücker, der meint, es sei „ein Schnellschuss, jetzt Insolvenz zu beantragen.“ Ein geplantes Treffen von Ehrenrat und Präsidium war laut Seidenstücker wieder abgesagt worden.

Noch einmal zur Erinnerung: die Spielbetriebs GmbH wurde gegründet, damit der Verein bei eventuellen Zahlungsschwierigkeiten in der Profiabteilung nicht betroffen wäre und die reguläre Vereinsarbeit mit den umfangreichen Kinder- und Jugendmannschaften keinen Schaden nähme. Es soll sogar ein Papier existieren, in dem die Spielbetriebs GmbH bei ihrer Gründung mit dem Aufstieg in die Regionalliga auf jegliche Forderungen an den Verein ein für allemal verzichtet und eine Reihe von Kosten (wie Übungsleiterhonorare) zu übernehmen verspricht.

Völlig unklar, wer hier in Zukunft seine Schuhe abstreifen wird. (Foto: oas) Völlig unklar, wer hier in Zukunft seine Schuhe abstreifen wird. (Foto: oas)

Insolvenzverwalter Dr. Peter Staufenbiel hatte gehofft, dass so eine Vereinbarung zum Tragen käme und er den Verein aus dem Insolvenzverfahren der GmbH heraushalten könnte. Das ist nun passé, nachdem das Klaus-Präsidium ohne jegliche Absprachen mit potentiellen Helfern die Regionalligazugehörigkeit beendete und die Pleite auch des Vereins bekanntgab. Die zeigten sich ausnahmslos überrascht und teilweise auch überrumpelt. Uwe Rollfinke, seit kurzem Ehrenratsmitglied und treuer Sponsor, erfuhr von der Insolvenzanmeldung aus den Medien, nachdem er bereits eine Woche keinen Kontakt mehr zum Präsidium hatte.

Er versteht es nicht, wie binnen nur einer Woche diese weitreichende Entscheidung zustande kam und hatte erwartet, dass von Seiten des Quintetts an der Vereinsspitze mehr für den Verein gekämpft wird. „Wenn Wacker dem neuen Präsidenten doch so eine Herzensangelegenheit ist, wie er während der Wahlveranstaltung mehrfach betonte“, fügt Uwe Rollfinke an.

Auch im Kreissportbund herrscht Verblüffung. Am letzten Freitag wurde hier noch über die einzureichenden Regionalliga-Unterlagen gesprochen. Geschäftsführer Patrick Börsch hält die Entscheidung des Präsidiums allerdings für nachvollziehbar: „Wenn sie erkennen, dass eine Insolvenz ins Haus steht müssen sie sofort handeln“, sagt der frisch gebackene Vereinsberater. Auch er kann nur spekulieren, was die Männer um Torsten Klaus dazu bewogen hat: „Vielleicht sind noch mehr Forderungen an den Verein aufgetaucht, als ursprünglich erwartet?“

Priorität müsse nun haben, so Börsch, den Nachwuchs aufzufangen und den Mannschaften eine gesicherte Perspektive zu geben. Dafür will sich der KSB im Zusammenarbeit mit dem Landessportbund einsetzen.

Bei einem weiteren Fantreffen ohne das eingeladene Präsidium wurde gestern Abend Verärgerung laut. „Das ist nicht gut für eine künftige Zusammenarbeit und kein Neuanfang, wie er versprochen wurde“, findet Helmut Grabias, der sich seit Jahresbeginn bemüht, Interessen von Fans und Mitgliedern in einer Gruppe zu kanalisieren. Er und seine Mitstreiter hatten dem Verein mehrfach Hilfe angeboten. So könne man mit den treuen Fans nicht umgehen, die sich für den FSV Wacker 90 engagieren wollen, schimpfte er und erwartet eine Entschuldigung des Präsidiums.

Parallel wurde in der Runde der reichlich frustrierten Fans auch schon mal diskutiert, wie in der Vergangenheit und Gegenwart in anderen Städten mit offensichtlich überschuldeten und maroden Vereinen umgegangen wurde. Doch die Anwesenden stellten schnell fest, dass Kaiserslautern oder Chemnitz von der Strahlkraft und dem Potential her nicht mit Nordhausen zu vergleichen sind und eine Insolvenz bei laufendem Spielbetrieb gefährlich sei. Einige erinnerten auch die Verfahrensweisen in Leipzig, wo sich in der Vergangenheit gleich zwei Traditionsvereine neu erfanden und heute in ruhigem Fahrwasser feste Größen der Regionalliga seien. Und es gab die Anmerkung, dass der Name Motor Nordhausen vielen Fußballfans noch in bester Erinnerung ist und für ehrlichen, hart erarbeiteten Erfolg in einstmals höheren Ligen steht.
Olaf Schulze
Autor: osch

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