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Nur für die Macht?

Sonnabend, 04. Juli 2020, 08:43 Uhr
Eigentlich musste Bodo Schwarzberg für den heutigen Sonnabend den 98. Artenschutzeinatz des BUND-Kreisverbandes Nordhausen vorbereiten und hatte Besseres zu tun, als einen Artikel über die Grünen zu schreiben. Ein Blick in die deutsche Presse aber ließ ihn noch eine Nachtstunde dranhängen...


„Wir Grüne kämpfen dafür, dass es allen Tieren gut geht“, heißt es auf der Seite der Partei im Bundestag. Und weiter: „... Wir setzen uns außerdem für ein Ende der Massentierhaltung, ein Tierschutzgesetz und tierversuchsfreie Forschungsmethoden ein.“

Das Tierschutzgesetz gibt es übrigen schon seit vielen Jahrzehnten. In ihm ist das Tierwohl festgeschrieben. Im § 2 heißt es unmissverständlich: „Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen, darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden, muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.“

Offensichtlich verfügen die Grünen über diese Kenntnisse in ausreichendem Maße, denn wie sonst ist es zu erklären, dass sie die Novellierung der Nutztierverordnung in einem Bundesratsbeschluss mitgetragen haben? Die Novellierung beinhaltet u.a. eine Fortschreibung der so genannten Kastenhaltung von Sauen für die kommenden acht Jahre. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ machte den Skandal gestern unter dem Titel „Arme Säue“
öffentlich, siehe hier: https://www.spiegel.de/wirtschaft/bundesrats-beschluss-zur-schweinehaltung-arme-saeue-a-5c8cc624-8ac4-46f2-b958-c185cdbc2b7a.

Denn statt gegen die Foltermethode einer Kastenhaltung von Sauen eindeutig grüne Farbe zu bekennen, trugen die Grünen die Fortführung dieser Haltungsmethode für die kommenden acht Jahre mit; mit der Begründung, diese Zeitspanne sei, so der Spiegel, der „Anfang des Ausstiegs aus der Kastenhaltung“.

Kastenhaltung bedeutet in Deutschland laut wikipedia übrigens nichts anderes, als das einer tragenden Sau bis zum ersten Abferkeln ein metallener Kasten von 200 cm x 65 cm als „Lebensraum“ zugestanden wird. Das Kastensystem verringert laut unterschiedlicher Studien die Gefahr für neugeborene Ferkel, von ihrer Mutter erdrückt zu werden. Bei wikipedia lesen wir weiterhin, dass sich „...neben der geringeren Mortalität der Ferkel...auch mehr Sauen auf einer geringeren Fläche halten und die Ausgaben pro Tier (darunter die Personalkosten) senken“ lassen (Wikipedia-Eingabe „Kastenstand“).

Das dürfte wohl entscheidend dafür sein, dass die in elf Bundesländern mitregierenden Grünen einer Verlängerung der gegen das Tierschutzgesetzt verstoßenden Haltungsbedingungen zugestimmt haben.

Tierärzte schütteln laut „Der Spiegel“ den Kopf über die Grünen: "Die meisten Grünen in Bundes- und Landesfraktionen sind bloß noch opportunistische Taktiker. Um mitregieren zu können, verkaufen sie ihre Seele", äußerte eine Tierärztin laut Spiegel.

Da waren die damals angehenden und alsbald politisch etalblierten Grünen der 70er und 80er Jahre wenigstens noch ehrlich und lupenrein grün. Ihr Einsatz gegen das erste, schwefeldioxidverursachte Waldsterben 1.0, gegen die Kernkraft als permanente Bedrohung und gegen den Verkehrsinfarkt nahm ihnen jeder ab, der sich in irgendeiner Weise noch wohlwollend mit der damals noch außerparlamentarischen Opposition der einstigen 68er-Bewegung (APO) befasste.

Mit den damaligen Grünen, die nicht mit Krawatte oder Kostüm, sondern mit T-Shirt und Jesuslatschen in ihren ersten Parlamenten saßen, haben die heutigen nichts mehr gemein. Sie sind farblos geworden, wie ich einst in der nnz schrieb, und an den Mainstream der anderen Altparteien angepasst. - Um möglichst aus allen Lagern politischer Einstellungen Stimmen abfassen zu können. Diese Einschätzung deckt sich auch mit jüngsten Parteitagsbeschlüssen.

Den Bau eines der größten deutschen Kohlekraftwerke in Hamburg Morburg trugen sie vor einigen Jahren ebenso mit, wie jenen Tagebau, dem die letzten Reste des einst viel größeren Hambacher Forsts in NRW vielleicht auch noch in Zeiten des Kohleausstiegs zum Opfer zu fallen drohen. Das sollten wir in Zeiten des Klimawandels und des Waldsterbens 2.0 nicht vergessen.

Und wenn Corona-Ausbrüche wie im Tönnies-Werk in Rheda-Wiedenbrück, auch weiterhin nicht ausgeschlossen werden können, so hat auch das mit der opportunistischen Haltung jener grünen Partei zu tun, die einst antrat, Ökologie und Tierschutz in unsere Gesellschaft zu bringen.

Denn eine Kastenhaltung von Sauen über weitere acht Jahre bedeutet nichts anderes, als dass ausgerechnet Bündis90/Die Grünen eine Fortschreibung der Massentierhaltung mit all ihren Schrecken unterstützt, statt sie in Übereinstimmung mit einer Bevölkerungsmehrheit nach mehr Regionalität, mehr Tierwohl und mehr Ökologie konsequent abzulehnen. Ausgerechnet die Grünen nehmen das Tierschutzgesetz aus machtpolitischen Erwägungen nicht ernst.
Bodo Schwarzberg
Anmerkung der Redaktion:
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Autor: red

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