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Ein Aufruf an die regionale Politik von Olaf Schulze

Ein Zeichen für die Meinungsfreiheit setzen

Dienstag, 20. Oktober 2020, 12:10 Uhr
Samuel Paty wurde 47 Jahre alt und lebte in Paris. Er war ein verheirateter Familienvater und Lehrer für Geschichte. Am letzten Freitag enthauptete ihn ein religiösen Fanatiker mit einem 30 Zentimeter langen Küchenmesser. Sein unerschrockenes Eintreten für die Meinungsfreiheit sollten wir würdigen…

Samuel Paty (1973-2020) (Foto: Facebook-Account) Samuel Paty (1973-2020) (Foto: Facebook-Account)


Samuel Paty war ein so sensibler Pädagoge, dass er seinen muslimischen Schülern freistellte, sich die Mohamed-Karikaturen anzusehen, die er im Unterricht zur Versinnbildlichung des verbrieften Rechts auf freien Meinungsäußerung zeigte.

Staats- und Regierungschefs, Politiker und Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten sind erschüttert und fassungslos angesichts der grausamen Tat. Wie sie es schon im Jahre 2015 waren, als zwölf Menschen im Umfeld der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ für die Veröffentlichung von Mohamed-Karikaturen umgebracht wurden. Damals bekannten wir uns alle (zumindest in Facebook) selbst ein Charlie zu sein und posteten „Je Suis Charlie“ in die sozialen Netzwerke.

Wie sollen wir reichlich fünf Jahre später auf die Fortsetzung dieser Gräuel durch einen 18-jährigen Fanatiker reagieren? Sind wir jetzt alle Samuel? Und wie lange dauert es an, bis wir auch diesmal zum Alltag zurückkehren, ohne eine wirkliche, tätige Erinnerung an diesen Angriff auf unsere aufgeklärte Lebensweise zu behalten?

Die Stadt Nordhausen pflegt eine intensive Städtepartnerschaft mit der Ardennen-Stadt Charleville-Meziere. Am Vorabend des Tags der deutschen Einheit konnten wir im Bürgersaal der Stadtbibliothek erleben, wie sehr uns die französischen Partner zugetan sind, die ihre freundlichen Grußworte und Glückwünsche in deutscher Sprache an die Nordhäuserinnen und Nordhäuser richteten. In Nordhäuser Museen sind derzeit zwei Ausstellungen aus der Partnerstadt zu sehen, wobei die aufwendige Marionettenausstellung einen echten Vertrauens- und Freundschaftsbeweis darstellt, wie Nordhausens Oberbürgermeister Kai Buchmann dankbar konstatierte.

Der Angriff auf Samuel Paty war kein einfacher Mord aus dem Affekt, sondern ein kriminell geplanter und durch eine Fatwa abgesegneter Anschlag auf die europäische Lebensweise in einer Demokratie, die maßgeblich durch tapfere Französinnen und Franzosen aufgebaut wurde. Den Werten der Französischen Revolution von Freiheit und Brüderlichkeit bei gleichem Ansehen der Person sind wir heute mehr denn je verpflichtet. Viele Staaten haben diese menschlichen Grundrechte in ihre nationalen Verfassungen aufgenommen. Die Republik Frankreich setzt sich federführend in der Europäische Union für eine Gleichstellung aller Bewohner des europäischen Kontinents ein. Die Ermordung Samuel Patys ist deshalb ein Angriff auf alle durch die Europäische Aufklärung in den letzten Jahrhunderten mühsam erkämpften Freiheiten. Hauptsächlich ist sie jedoch ein Schlag gegen die Meinungsfreiheit und soll deren Verfechter in Angst versetzen und mundtot machen.

Insofern müssen auch wir in Nordthüringen uns ganz klar an die Seite Frankreichs stellen und den stolzen französischen Bürgern im Kampf um den Erhalt unserer Rechte den Rücken stärken.

Ich bin der Meinung, dass es wichtig ist, die Erinnerung an den mutigen Lehrer Samuel Paty dauerhaft aufrecht zu erhalten, weil er auch für unsere Freiheit gestorben ist und wir mit einem Akt des Gedenkens dem ganzen Land und unserer Partnerstadt unsere Solidarität bekunden würden.

Deshalb bin ich weiterhin der Meinung, der Nordhäuser Stadtrat oder auch der Kreistag möge prüfen, ob es nicht eine ungewidmete Straße oder einen Platz gibt, der zum Gedenken an diesen aufrechten Mann mit dem Namen Samuel Patys versehen werden kann. Oder eine Schule wird nach ihm benannt.

Vielleicht haben auch andere Landkreise oder Kommunen in Nordthüringen enge Verbindungen zu Frankreich und könnten meine Anregung in ihre Überlegungen aufnehmen.

Und dies ist meine ganz private Meinung; nicht die einer Journalistenvereinigung oder der gesamten nnz-Redaktion, nicht die einer Institution oder eines Vereins, dem ich angehöre. Aber dass ich sie hier äußern darf ist das Verdienst solcher Menschen wie Samuel Paty, der seine freiheitlichen Überzeugungen mit dem Leben bezahlen musste. Ein wirklicher Held, dem unsere Anerkennung gebührt.
Olaf Schulze
Autor: osch

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