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Länderchefs tragen Kontaktsperren und Schließungen mit

Merkel verordnet umfangreichen Lockdown

Mittwoch, 28. Oktober 2020, 17:00 Uhr
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte bereits gestern ein Positionspapier zu einem zweiten bundesweiten Lockdown vorgelegt, das heute von den Ministerpräsidenten der Länder abgesegnet werden sollte. Vor wenigen Minuten gingen die Verhandlungen zu Ende …

Auf dem Reichstag in Berlin (Foto: oas) Auf dem Reichstag in Berlin (Foto: oas)


Ab dem kommenden Montag, dem 2. November gelten wie schon im März strikte Kontaktbeschränkungen mit folgenreichen Einschränkungen im öffentlichen Leben, die zur Eindämmung des Virus führen und die derzeitigen hohen Infektionszahlen bremsen sollen. Kanzlerin und Ministerpräsidenten sahen die steigenden Infektionszahlen der letzten Tage als ausreichenden Grund, das öffentliche Leben vorübergehend weitestgehend lahm zu legen und die Deutschen aufzufordern, möglichst alle sozialen Kontakte auszusetzen.

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier soll sogar vorgeschlagen haben, den nationalen Gesundheitsnotstand aufzurufen. So fiele es allen Ländern einfacher, einheitliche Maßnahmen durchzusetzen, argumentierte er. Nebeneffekt einer solchen drastischen Maßnahme wäre auch, dass sich eventuelle ergangene Gerichtsurteile gegen die heute erlassenen Verfügungen außer Kraft setzen ließen und unter Notstandsbedingungen durchregiert werden könnte.

Beschlossen wurde letztlich, dass Mitte November die Wirkung der bis Ende November terminierten Maßnahmen überprüft wird, um dann das weitere Vorgehen festzulegen.

Deutschlands derzeit prominentester Mediziner, Professor Christian Droste von der Berliner Charité, hatte schon am Morgen in seinem Podcast verkündet: „Wenn die Belastungen zu hoch werden, dann muss man ’ne Pause einlegen. Dieses Virus lässt nicht mit sich verhandeln. Dieses Virus erzwingt bei einer bestimmten Fallzahl einfach einen Lockdown.“ Dem widersprechen zahlreiche seiner Kollegen, allen voran der Bonner Virologe Hendrik Streek, der sich mit dem Präsidenten der kassenärztlichen Vereinigung an die Öffentlichkeit wandte und diese weitreichenden Maßnahmen für nicht hilfreich hält. „Das Virus wird nicht mehr verschwinden, egal welche Maßnahmen getroffen werden“, sagte Streek. „Wir müssen mit dem Virus leben lernen und eher sehen, wie wir die Maske im Alltag sexy machen. Das ist kein Sprint, den wir hier absolvieren, wir müssen uns auf einen Marathon einstellen.“

Im Gegensatz zum ersten Totalstillstand im März sollen dieses Mal die Kindereinrichtungen und Schulen sowie wirtschaftliche Unternehmen nicht geschlossen werden. Auch Friseurgeschäfte bleiben geöffnet. Menschliche Kontakte müssten aber radikal heruntergefahren werden, weshalb alle Institutionen und Einrichtungen, die der Freizeitgestaltung zuzuordnen sind, ihren Betrieb einzustellen haben. Diese Verfügung löste sofort heftige Proteste und Demonstrationen bei den Betroffenen aus. Es wird zu einer erheblichen Klagewelle gegen die staatlichen Festlegungen kommen, glaubt man den Ankündigungen führender Vertreter der Branchen.

Einzelhandelsgeschäfte dürfen mit verschärften Einschränkungen weiter betrieben werden, Veranstaltungen aller Art, einschließlich sportliche, werden verboten. Die Fußball-Bundesliga ist nicht betroffen und wird ohne Zuschauer in den Stadien weiter den Spielbetrieb aufrecht erhalten.

Die drastischste Maßnahme ist die Verordnung, dass sich von Montag an im Freien nur noch Personen aus zwei Hausständen treffen dürfen, wobei die Anzahl von zehn nicht überschritten werden darf.

Bundesinnenminister Horst Seehofer kündigte an, Tausende Bundespolizisten zur Kontrolle dieser Verordnung einsetzen zu wollen. Sowohl in den Hotspots der Großstädte als auch per Schleierfahndung an den Bundesgrenzen will er damit die weitere Ausbreitung des Virus verhindern.

Die Kanzlerin appelliert an die Deutschen, generell auf private Reisen und Besuche - auch von Verwandten - zu verzichten. Das gelte im Inland ebenso wie für überregionale tagestouristische Ausflüge.

Übernachtungsangebote im Inland werden nur noch für notwendige und ausdrücklich nicht touristische Zwecke zur Verfügung gestellt. Institutionen und Einrichtungen, die der Freizeitgestaltung zuzuordnen sind, werden geschlossen. Dazu gehören:
Theater, Opern- u. Konzerthäuser, ähnliche Einrichtungen, Messen, Kinos, Freizeitparks und Anbieter von Freizeitaktivitäten (drinnen und draußen), Spielhallen, Spielbanken, Wettannahmestellen und ähnliche Einrichtungen.
Der Freizeit- und Amateursportbetrieb auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen, Schwimm- und Spaßbädern wird eingestellt. Prostitutionsstätten, Bordelle und ähnliche Einrichtungen werden geschlossen. Auch Fitnessstudios und ähnliche Einrichtungen, die gerade erst wieder eröffnet wurden, fallen unter die Regelung. Alle Veranstaltungen, die der Unterhaltung dienen, werden untersagt.

Auch alle Gastronomiebetriebe sowie Bars, Clubs, Diskotheken, Kneipen und ähnliche Einrichtungen müssen ab Montag geschlossen bleiben. Davon ausgenommen ist wie schon im März die Lieferung und Abholung mitnahmefähiger Speisen für den Verzehr zu Hause.

Dienstleistungsbetriebe der Körperpflege wie Kosmetikstudios, Massagepraxen, Tattoo-Studios und ähnliche Einrichtungen werden geschlossen. Medizinisch notwendige Behandlungen wie zum Beispiel Physiotherapien bleiben jedoch weiterhin möglich.

Der Einzelhandel bleibt unter den schon bestehenden Auflagen zur Hygiene, zur Steuerung des Zutritts und zur Vermeidung von Warteschlangen insgesamt geöffnet.

Schulen und Kindergärten bleiben offen.

Für die von Schließungen betroffenen Betriebe und Einrichtungen will der Bund Ausfallzahlungen gewähren. Nach ersten entwürfen sollen die Unternehmer 75 Prozent des Umsatzes aus dem November 2019 in Rechnung stellen dürfen.

Am Freitag soll der Thüringer Landtag zusammentreten, um über die Beschlüsse zu sprechen.
Olaf Schulze
Autor: osch

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