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Winterdienst in Leinefelde-Worbis

Kampf gegen Schnee und häßliche Kommentare

Dienstag, 16. Februar 2021, 10:20 Uhr
Festgefahrene Lkw, unpassierbare Straßen, Gehwege und Plätze. Der heftige Wintereinbruch mit teils meterhohen Schneeverwehungen stellte auch den Winterdienst der Stadt Leinefelde-Worbis in diesem Winter vor große Herausforderungen...

Unermüdlich im Einsatz: Mitarbeiter des Winterdienstes (Foto: Stadt Leinefelde-Worbis) Unermüdlich im Einsatz: Mitarbeiter des Winterdienstes (Foto: Stadt Leinefelde-Worbis)


Mit 16 Fahrzeugen und einer 35 Mann starken Einsatztruppe waren die Mitarbeiter seit den ersten Schneefällen am 7. Februar durchgängig rund um die Uhr im Drei-Schicht-System im Einsatz. Dabei sind sie für ein Streckennetz von rund 400 Kilometern inkl. Gehwege verantwortlich.

Klar geregelt sind die Prioritäten: Hauptstraßen, Buslinien – inklusive ihrer 59 Haltestellen – Fußgängerüberwege, Ampelanlagen, Rettungszufahrten, Ortsdurchfahrten und -verbindungsstraßen stehen ganz oben auf der Dringlichkeitsliste und werden vorrangig geräumt. Eine sogenannte Anliegerpflicht hat die Stadt außerdem vor Trauerhallen, Feuerwehren und Dorfgemeinschaftshäusern. Danach erst folgen Stück für Stück die Nebenstraßen.

Um den Begegnungsverkehr in den Innenstädten wieder zu ermöglichen und dringend benötigte Parkbuchten oder Fußgängerübergänge zu räumen, hatte man bereits einen Tag nach dem Schneesturm in Leinefelde und Worbis mit dem aufwendigen Abtransport der weißen Pracht begonnen.

Unterstützung gab es hier vom Land- und Forstwirtschaftsbetrieb der Stadt, dessen Mitarbeiter sofort mit Traktor und Teleskoplader anrückten. Vier Radlader, drei Traktoren und zwei Lkw waren zusätzlich Tag und Nacht im Einsatz. Um zahlreiche Dächer von Schneelasten zu befreien, leistete der neue Roto-Teleskoplader der städtischen Tochter KLW hervorragende Dienste.

Nur 48 Stunden später rollten die Maschinen dann auch durch die Ortsteile. Und während die Räumkommandos bei zweistelligen Minusgraden und widrigsten Bedingungen dafür sorgten, dass möglichst schnell wieder ein Stück Normalität einkehrt, liefen die Telefondrähte im Bauhof heiß. In nur drei Tagen registrierten die Mitarbeiterinnen über 600 Anrufe. Bei 95 Prozent davon handelte es sich um Beschwerdeanrufe von Bürgern, denen entweder das Räumen nicht schnell genug ging oder welche die Arbeit des Bauhofes in anderer Weise kritisierten. Nur fünf Prozent bedankten sich für die Mühe.

Auch in den Sozialen Medien mussten die Winterdienstler einiges einstecken. Menschen aller Bildungsschichten und Altersgruppen, meist hinter phantasievollen Namen oder Katzenprofil-Fotos versteckt, machten ihrem Ärger etwa über die schlechte Zuwegbarkeit ihrer Grundstücke oder die „unzumutbare Situation“ auf Gehwegen Luft.
Vom gemütlichen Sofa aus ließ sich das mühevolle Räumen der Straßen und Plätze scheinbar besonders gut kritisieren: „Hat der Bauhof heute Urlaub oder warum fährt kein Winterdienst? Sollte doch kein Problem sein, bei den ganzen tollen Fahrzeugen, die investiert wurden“, fragte zum Beispiel Martin R. in einem öffentlichen Post auf Facebook, den er vorsorglich mit dem Wort „Ironie“ markierte. „Das lässt hier zu wünschen übrig, in Berlin sind ab 7 Uhr morgens die Bürgersteige frei“, zog eine andere Userin den Vergleich Leinefeldes mit Deutschlands Hauptstadt. Und zum Räumen könne man doch „Arbeitslose oder Asylanten“ nehmen. Roland G. hatte eine ähnliche Lösung parat. Man solle für solche Arbeiten doch „die vom Bürger alimentierten, arbeitsfähigen aber oftmals arbeitsunwilligen Leute heranziehen.“ Für das Geld „können die auch was tun“.

Aber nicht nur in der vermeintlichen Anonymität des Internets, sondern auch draußen auf der Straße mussten sich die fleißigen Bauhofmitarbeiter von Passanten und Anwohnern einiges an Beleidigungen weit unterhalb der Gürtellinie anhören. Wortfetzen wie „blödes Arschloch“, „doofer Stadtarbeiter“, „scheiß Idiot“ oder „macht meine Einfahrt frei, ihr werdet von Steuergeldern bezahlt“, gehörten dabei noch zu den harmloseren Einlassungen. Wohltuend dagegen die ein oder andere Tasse Kaffee, ehrlich gemeinte Dankesworte und Lob, welches es an vielen Stellen natürlich ebenfalls gab.

Vollkommen eingeschneit und kaum noch als Fortbewegungsmittel auszumachen war das Auto von Julia Klaus. Die hochschwangere junge Frau hatte ihr Fahrzeug in der Worbiser Innenstadt geparkt und wagte drei Tage nach dem Schneesturm den schweißtreibenden Versuch, es auszugraben. Unverhoffte Unterstützung bekam sie in diesem Moment von gleich zwei Bauhofmitarbeitern, die gerade dabei waren, mit ihren Kollegen die Lange Straße und den Friedensplatz vom Schnee zu befreien. Innerhalb weniger Minuten war das Auto der überglücklichen Worbiserin wieder fahrbereit.
Die umfangreichen Räumpflichten für private Anlieger sind hingegen in der Straßenreinigungssatzung (Paragraph 8 und 9) der Stadt Leinefelde-Worbis festgeschrieben. Nachzulesen im Internet unter www.leinefelde-worbis.de/buergerstadt/buergerservice/satzungen-der-stadt.

Um eine Ordnungswidrigkeit handelt es sich beispielsweise, wenn der Schnee vom eigenen Grundstück auf die Straße befördert wird. Das kann nicht nur zu gefährlichen Verkehrssituationen führen, sondern bringt in den meisten Fällen auch nur ein kurzes Glücksgefühl. Denn dem anrückenden Schneepflug bleibt meist nichts anderes übrig, als die mühselig freigeschaufelte Einfahrt oder den Gehweg mit der salzdurchtränkten Pampe wieder zuzuschieben.

„Im Großen und Ganzen hat sich die Mehrheit der Leinefelde-Worbiser an die eigene Räum- und Streupflicht aber gehalten“, lobt Stefan Lauterbach. Mit Quads, Traktoren, Schippen und Schiebern ausgerüstet, sagten die Anwohner den Schneemassen vielerorts den Kampf an. Der Bauhof-Chef bittet um Verständnis, wenn nicht jede Nebenstraße sofort geräumt werden kann. Man arbeite mit den zur Verfügung stehenden Mitteln alles so schnell wie möglich ab.

Besonderer Dank gelte dem Land- und Forstwirtschaftsbetrieb der Stadt, der Firma Althaus und Sander, der Heiligenstädter TSI, den freiwilligen Feuerwehren, der Bäckerei Helbing, Fleischerei Reimann, der Leinefelder Bft-Tankstelle, Werner Maulhardt aus Hundeshagen sowie der Autobahnmeisterei Breitenworbis, die der Stadt allesamt unkompliziert und nach ihren Möglichkeiten Hilfe angeboten hatten.

Den Mitarbeitern des Bauhofes, den vielen fleißigen Anwohnern, externen Firmen, den Feuerwehren und allen, die zur Beseitigung der Schneemassen beigetragen haben, dankte auch Bürgermeister Marko Grosa. Es sei nicht selbstverständlich, dass Hilfe in allen Ortsteilen so schnell und unkompliziert angeboten würde. Der Stadtchef weist nochmal daraufhin, dass öffentliche Wege beim Räumen eine höhere Priorität haben als beispielsweise Betriebsgelände ortsansässiger Firmen. Solch ein heftiger Wintereinbruch buchstäblich über Nacht erfordere schnelle Entscheidungen und unbürokratisches Handeln. Deshalb sei es auch schwer möglich, zusätzliche Winterdienstleistungen etwa durch Fremdfirmen kurzfristig auszuschreiben.
Autor: red

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