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Beobachtet

Donnerschlag aus dem Heiligenstädter Rathaus

Sonntag, 07. März 2021, 11:11 Uhr
Der Heiligenstädter Herzteich im Kurpark ist eine erlebnisreiche Sehenswürdigkeit. Einmal gab ich voller Entdeckerfreude in gebückter Haltung einem Höckerschwan meine Semmelstücke. Als Dank bekam ich von dem fauchenden Vogel einen kräftigen Flügelschlag auf die Wange. Er verteidigte doch nur sein brütendes Weibchen. Ein Beitrag von Wilhelm Roth...

So sieht das Ufer aktuell aus (Foto: W. Roth) So sieht das Ufer aktuell aus (Foto: W. Roth)
Heiligenstadt. Als ich Jahre danach zur Frühjahrszeit meine Beobachtungen für einen Kurparkfilm einfing, erweckte ein brütendes Paar schwarzer Schwäne meine Neugier. Als über Nacht das Männchen mit drei Jungen verschwand, vermutlich von Dieben gestohlen, blieb die Schwanenmutter mit ihrem verbliebenen Sprössling allein zurück. Tagelang rief sie nach ihrem Partner. Jahrelang führte sie aber danach eine erfolgreiche Ehe mit dem Sohn.

Die Lebendigkeit auf dem Herzteich wird von einer bunten, lauten, auch gekreuzten Entenschar beherrscht. Die Vielzahl der Fische ist beim Schnappen nach Insekten zu erahnen. Der Graureiher entschwand mehrmals vor meiner Kamera. Die Grünfüßigen Teichhühner, die viele Jahre lang auf dem Herzteich nicht zu sehen waren, hatten mit zwei Bruten das Revier wieder besetzt.

Die Jungvögel der ersten Brut fütterten und betreuten ihre kleinen Geschwister. Sie kletterten gern bis zu den Spitzen eines am Ufer stehenden Strauches, um dann von oben mutig in den Teich zu fliegen. Ein zweites Brutpaar drang in ihr Revier ein. Es kam zu erbitterten Kämpfen. Sträucher, Schilf und Kräuterstauden boten einen guten Schutz für Vögel und Insekten.

Dann gab es einen Donnerschlag. Er kam nicht vom Himmel aus einer Gewitterwolke. Der Heiligenstädter Bauhof trat auf den Plan. Er räumte das gesamte Ufer von Büschen, Schilf und Kräutern ab. Was den Wasservögeln und Insekten Schutz und Lebensraum bot, war in kurzer Zeit verschwunden. Da blutet dem Naturfreund das Herz.

Bei allem Respekt vor der Dienstleistung des Bauhofes – aber so ein Vergehen an der Natur kann nur als Dummheit und krankhaftem Reinigungssinn betrachtet werden. Der Gesetzgeber erlaubt (nach Beantragung) außerhalb der Vegetationszeit nur eine kleinteilige Pflege, um dem Biotop nicht seine Lebenskraft zu nehmen.

Die Vögel finden kaum noch Rückzugsmöglichkeiten (Foto: W. Roth) Die Vögel finden kaum noch Rückzugsmöglichkeiten (Foto: W. Roth)
Als Begründung für diesen unnatürlichen Eingriff wurde eine eventuelle Ausspülung des Uferstreifens angegeben, die eine „Betretungsgefahr“ für Kinder darstellen könnte. Diese könnten ja näher zum Wasser treten. Schlagen denn im Herzteich, der erst vor wenigen Jahren entschlammt wurde, Ostseewellen an das Ufer?

Da die Untere Naturschutzbehörde dieses „Geldbewährte Vergehen“ nur mit einem mahnenden Schulterschluss beurteilt, erhebe ich meine sinnliche Anklage zur Wahrung der Gerechtigkeit. Viele Vergehen des „kleinen Bürgers“ werden unmissverständlich geahndet, in diesem einschneidenden Fall das Gesetz offensichtlich gebeugt.
Wilhelm Roth
Autor: red

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