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Arbeitsmarkt aktuell

"Generation Corona" in der Ausbildung?

Dienstag, 01. Juni 2021, 13:53 Uhr
Mehr Licht als Schatten - die Arbeitsmarktdaten im Mai lassen auf Besserung hoffen. Schwierig bleibt die Lage auf dem Ausbildungsmarkt, hier zeigt die Pandemie weiter deutliche Auswirkung. Sorge vor einer „Generation Corona“ hat man aktuell aber nicht…

Arbeits- und Ausbildungsmarkt aktuell (Foto: agl) Arbeits- und Ausbildungsmarkt aktuell (Foto: agl)


Es war eine illustre Runde, die da heute im Nordhäuser Berufsschulzentrum zusammenkam: die Industrie- und Handelskammer, regional wie überregional, die Handwerkerschaft, Vertreter aus dem produzierendem Gewerbe, aus Handel, Bildung, der regionalen Unternehmerschaft und die Agentur für Arbeit. Zusammengebracht hatte sie die Lage auf dem Ausbildungsmarkt.

Denn während sich in Sachen Arbeitsmarkt Licht am Horizont zeigt, hat die Pandemie im Ausbildungsbereich alte Probleme weiter verschärft. Spurlos ist „das große C“ am Arbeitsbereich definitiv nicht vorbeigegangen. Die Zahl der Beschäftigten liegt zwischen Eichsfeld, Nordhausen und Kyffhäuser aktuell auf dem Niveau von 2012. Im Vergleich zum Vorjahr hatte man mit 84.620 Beschäftigten einen Rückgang von 2,1 Prozent zu verzeichnen, führte der Leiter der Nordhäuser Agentur, Karsten Froböse aus. „Die Region wurde durch die Pandemie gebeutelt, wir haben da etwas zu tragen“, so Froböse.

Die gute Nachricht: die Zahl der Arbeitslosen lag im Mai 10 Prozent unter der des Vorjahres. Das Vorkrisenniveau ist damit noch nicht wieder erreicht, aber es geht aufwärts. Im Landkreis Nordhausen verzeichnet die Agentur 3.200 Arbeitslose, eine Quote von 7,6 Prozent, ein Minus von 7,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Im Eichsfeld liegt die Quote bei 4,3 Prozent (- 8,5 Prozent), im Kyffhäuserkreis bei 7,6 Prozent (- 13,8 Prozent). Licht statt Schatten auch im Bereich Jugendarbeitslosigkeit: waren im vergangenen Jahr noch 832 Personen unter 25 Jahren Arbeitslos gemeldet, sind es aktuell noch 620.

Sorgenkind Ausbildung
Drastische Veränderungen beobachtet man im Ausbildungsbereich. Das es mehr freie Stellen als Bewerber gibt, war auch vor der Pandemie ein Problem, dem die verschiedenen Akteure vom Betrieb über die Agentur bis zu den Schulen beizukommen versuchten. In der Corona-Pandemie klafft die Schere nun noch weiter auseinander als bisher. Im Jahr 2020 kamen auf 1.226 verfügbare Ausbildungsstellen noch 1.032 Bewerber. Im Jahr 2021 stieg die Zahl der Stellen auf 1.258, die Zahl der Bewerber brach aber gleichzeitig im ein Viertel ein und liegt aktuell bei 766 ausbildungswilligen Jugendlichen.

Am deutlichsten ist die Diskrepanz im Bereich Produktion und Fertigung. 561 Stellen könnte die Branche in Nordthüringen besetzen, die Bewerberzahl liegt aber lediglich bei 238. Ähnlich die Situation im Baugewerbe: hier kommen 63 Bewerber auf 161 Ausbildungsstellen. Bei Handel, Dienstleistungen und Tourismus sind 129 Stellen unbesetzt, in der Verkehrs- und Logistikbranche liegt das Delta niedriger bei lediglich 20 offenen Stellen. Nur im Verwaltungsbereich gibt es mehr Bewerber als Stellen.

Für die Unternehmen ist die Lage ein veritables Problem. Ein nicht unerheblicher Teil der Beschäftigten wird in den nächsten Jahren in den altersbedingten Ruhestand gehen und es fehlt an Nachwuchs. Umschulungen aus anderen Bereichen und Migration könnten helfen, der „Königsweg“ bleibe aber die Erstausbildung, hieß es am Mittag. Das Problem ist nicht neu, wurde durch die Pandemie aber noch einmal deutlich verschärft.

Die Gründe sind mannigfaltig. In vielen Familie herrsche Verunsicherung, führt Karsten Froböse aus. Die Krisenfestigkeit der Branche spiele dabei eine Rolle, wie auch die gesundheitlich Sicherheit. Wo es wenig bis keinen Kundenkontakt gibt, da finden sich aktuell auch eher Bewerber. Hinzu kommt der Ausfall klassischer Angebote zur Berufsorientierung wie Ausbildungsmessen, Praktika in Unternehmen oder die Präsenz der Berufsberatung an den Schulen. Die Folge: viele „drehen lieber noch eine Runde“, etwa auf einer weiterführenden Schule und warten ab.

Die Einschätzung deckt sich mit der Erfahrung der Unternehmen. Vor allem der Verlust der Messen und Praktika wird beklagt. Dem entgegenzuwirken hat man nach einem Jahr Corona diverse Register gezogen. Die Arbeitsagentur organisiert ihre Berufsberatung inzwischen per Videotelefonie, hat eine eigene Ausbildungswebsite aufgebaut und bereitet wieder Ausbildungsbörsen unter freiem Himmel vor. Im Netz gehen auch die Wirtschaftsverbände Hand in Hand um den Nachwuchs zur Ausbildung zu bewegen und haben unter www.deine-ausbildung-in-thueringen.de ein eigenes Portal geschaltet. Vor der Pandemie war das eigentlich undenkbar, schließlich steht man auf dem Ausbildungsmarkt in Konkurrenz zueinander. Im Nordthüringer Unternehmerverband sähe man es derweil gerne, wenn kleineren Betrieben bei Ausbildung mehr unter die Arme gegriffen würde. Viele Unternehmen verfügten nicht über die nötigen Ressourcen um Praktika und Ausbildungen überhaupt anbieten zu können, erklärte Steffen Mund.

Keine „Generation Corona“
In Anbetracht der Lage appelliert die Agentur für Arbeit an die Unternehmen, beim Blick auf die Noten die besondere Situation in Betracht zu ziehen. Wer nach diesem schwierigen Schuljahr mit gleichbleibenden Leistungen herausgehe, der habe sich „richtig reingehängt“, meint auch der Leiter der Nordhäuser Berufsschule, Ulrich Preiß.

Tatsächlich scheint sich das Corona-Jahr bisher aber kaum auf die schulischen Leistungen auszuwirken, zumindest nicht im dualen System, konstatiert Thomas Fahlbusch von der Industrie- und Handelskammer. Bei den Sommerprüfungen der Kammer habe man nur minimale Veränderungen feststellen können. „Wir können für unsere rund 10.000 Absolventen feststellen das es keinen „Corona-Jahrgang“ gibt. Das hat die gleiche Wertigkeit wie der Ausbildungsjahrgang 2018/19.“ Das duale System habe hier seine Resilienz gezeigt: wo ein Teil der Beziehung zwischen Schule, Azubi und Betrieb ausfiel, hätten die anderen Akteure das abfangen können.

Auch bei Agentur für Arbeit ist man guter Dinge. Das kein „Makel“ bleibt, dafür könne man gemeinsam mit Unterstützungsangeboten sorgen. Und die „Delle“ in der praktischen Erfahrung lasse sich im aktiven Berufsleben in relativ kurzer Zeit wieder ausbeulen. Den Mangel an Bewerbern wird man trotz dessen kaum aufholen können. Deswegen hoffen alle Beteiligten, trotz diverser Aktionen und Angebote, vor allem auf eines: den Rückkehr zur Normalität.
Angelo Glashagel
Autor: red

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