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Thüringer Resümee zur Innenministerkonferenz

Aus Hetze wird Extremismus, aus Extremismus Gewalt

Freitag, 18. Juni 2021, 14:29 Uhr
Die Innenminister der Bundesländer kommen regelmäßig zu Treffen zusammen. Im Baden-Württembergischen Rust lag der Fokus der diesjährigen Frühjahrskonferenz auf der Radikalisierung im Netz, der Entwicklung extremistischer Tendenzen und wachsender Gewalt. Zu dem Treffen hat das Thüringer Innenministerium jetzt Resümee gezogen...

Die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren (IMK) hat unter dem Vorsitz des baden-württembergischen Innenministers Thomas Strobl jüngst in Rust getagt. „Ich bin froh, dass wir uns nach der hybriden Konferenz im Dezember vergangenen Jahres nun wieder in Präsenz treffen und die über 60 Tagesordnungspunkte beraten konnten“, erklärte Innenminister Georg Maier nach Abschluss der Konferenz. Der Fokus der diesjährigen Frühjahrskonferenz lag auf der Radikalisierung im Netz, der Entwicklung extremistischer Tendenzen und wachsender Gewalt.

Wirksamer Schutz vor Gewalt und Übergriffen
Gerade im Zuge der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Auswirkungen auf unser gesellschaftliches Zusammenleben haben Spannungen in Familien bis zu gewalttätigen Übergriffen zugenommen. Die Konferenz beobachtet mit großer Sorge, dass insbesondere die Fälle häusliche Gewalt gegen Frauen gestiegen sind. Die IMK hält eine Überprüfung der Strafvorschriften für erforderlich, damit diese eine schuldangemessene Bestrafung von Straftaten gegen Frauen ermöglichen. In Betracht kommt insbesondere die Aufnahme geschlechtsspezifischer Motive als Strafzumessungsgrund in § 46 StGB (Grundsätze der Strafzumessung).

Weiterer Beratungspunkt der diesjährigen Frühjahrskonferenz waren der Schutz von Kommunalpoliker:innen vor Gewalt und Übergriffen und die Situation von Pressevertreter:innen. „Beide Tagesordnungspunkte habe ich auf die Agenda gesetzt“, sagte Innenminister Maier. Schon zur nächsten Herbstkonferenz 2021 sollen neue Präventions- und Schutzmaßnahmen für politische Mandatsträger:innen vorgestellt werden. „Kommunale Mandatsträger und Mandatsträgerinnen spüren die immer stärkere Polarisierung unmittelbar am eigenen Leib. Das gilt besonders in Wahljahren und erfuhr durch die Coronapandemie einen für mich nicht mehr erträglichen Höhepunkt“, so Maier.

„Gleiches gilt für die Vertreter und Vertreterinnen der Presse. Diese erfüllen für unser demokratisches Gemeinwesen eine nicht zu ersetzende Aufgabe und verdienen Respekt und gute Arbeitsbedingungen. Neben einer Modernisierung der Regeln der Zusammenarbeit zwischen Presse und Polizei müssen auch Fragen des wirksamen Schutzes von Pressevertretern bei Versammlungen betrachtet werden. Ich verspreche mir schon im Herbst hierzu wirksame Schritte“, schloss Maier zu diesem Thema.

„Was wir bei den jüngsten Demonstrationen an israelbezogenen Antisemitismus erleben mussten, ist abscheulich und erfordert konsequente staatliche Gegenmaßnahmen“, erklärt Georg Maier. Der Thüringer Innenminister begrüßt insbesondere vor dem Hintergrund des Anstieges antisemitischer Straftaten, dass sich die Innenministerkonferenz – wie schon 2020 formuliert – weiter dafür einsetzt, dass jeglicher Extremismus und Antisemitismus in unserer Gesellschaft konsequent bekämpft werden.

Bezüglich der sog. Querdenker bewertet die Innenministerkonferenz die bereits getroffenen Maßnahmen zur Beobachtung von demokratiefeindlichen und sicherheitsgefährdenden Bestrebungen zur Delegitimierung des Staates mit Blick auch auf die Wirkung von Verschwörungsideologien mit extremistischen Gehalt als sehr positiv.

Die Konferenz beleuchtete auch die Entwicklungen und Radikalisierungstendenzen in der linksextremistischen Szene. „Die erkennbare Spirale der Gewalt und die jüngsten Anschläge gerade auch in Thüringen sehe ich mit großer Sorge. Zur Aufdeckung dieser oftmals klandestin agierenden Strukturen müssen alle Möglichkeiten der Analyse genutzt und bundesweit noch enger zusammengearbeitet werden“, so Maier.

Die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder verurteilte in einer Erklärung scharf die Ausschreitungen, die an diesem Mittwoch (16. Juni 2021) in Berlin stattgefunden haben. Georg Maier sagte: „Die Bilder aus Berlin sind zutiefst verstörend. Bei den heftigen und feigen Angriffen auf die Einsatzkräfte wird deren Leben bewusst aufs Spiel gesetzt. Rohe extremistische Gewalt ist durch nichts zu rechtfertigen. Wir wünschen den Verletzten baldige Genesung und stehen fest an der Seite der eingesetzten Kräfte. Ausschreitungen werden nicht geduldet.“

Im Kontext zunehmender Radikalisierung war der Tagesordnungspunkt Keine Waffen in die Hände von Extremisten essentiell. „Es liegt doch auf der Hand, dass Menschen, die sich am äußersten politischen Rand unserer Gesellschaft bewegen und denen ein hohes Gewaltpotential innewohnt, niemals eine Waffe besitzen dürfen bzw. diese unverzüglich abgeben müssen“, bekräftigt der Innenminister.

Mehr Handlungsfähigkeit des Staates im digitalen Raum
Einvernehmlich stellten die Innenministerin und ihre Kollegen fest, dass es leider nach wie vor an gesetzlichen Vorgaben fehlt, um strafrechtlich Verantwortliche, die im Internet – insbesondere in sozialen Netzwerken und auf Spieleplattformen – (Hass-)Kriminalität verbreiten, eindeutig identifizieren zu können. Für eine effektive Strafverfolgung sind solche Vorgaben unabdingbar. Die Konferenz hatte dies schon im vergangenen Jahr unter dem Thüringer Vorsitz gefordert. „Heute beginnt die Radikalisierung nicht im Clubhaus um die Ecke, sondern zu Hause im Wohnzimmer, am Rechner, leise und weitestgehend unbemerkt“, attestierte Maier. „Umso wichtiger ist es, dass Sicherheitsbehörden die Möglichkeit haben, solche Personen überhaupt zu erkennen, um entweder präventiv zu handeln oder sie letztlich zur Verantwortung ziehen zu können. Nur so kann der Staat überzeugend die Bürgerinnen und Bürger auch im digitalen Raum schützen“, betont der Innenminister.

Verbesserung des Krisenmanagements
Die Pandemie 2020/2021 offenbarte in den verschiedensten Bereichen Defizite im Krisenmanagement. Deshalb stand dieses Thema ebenfalls auf der Tagesordnung der Frühjahrskonferenz 2021.

Fazit ist, dass die Aufbau- und Ablauforganisation des Krisenmanagements angefangen bei den Kommunen über die Länder bis hin zum Bund auf einer einheitlichen Basis und auf Bund- und Länderebene unter Einbeziehung aller Ressorts gestärkt werden muss. „Krisen- und Risikomanagement bedeutet präventives, effizientes und strukturiertes Handeln ohne politische Zwänge“, so Georg Maier. Diese funktionierenden Strukturen sind im Krisenfall der Motor des Krisenmanagements, postulierten die Ministerin und ihre Amtskollegen.

„Für mich gehört auch dazu, dass wir in Deutschland ein Krisenmanagement aufbauen, dass sozusagen bis in das Bundeskanzleramt reicht. Politische Entscheidungen, gerade bei der erlebten Pandemielage, müssen meines Erachtens durch einen bundesweiten Krisenstab fachlich besser vorbereitet werden. Ich setze mich dafür ein, dass wir auch über unseren deutschen Tellerrand schauen und die Erfahrungen aus anderen Ländern genau betrachten“, betont der Minister.

„Nicht zuletzt gilt es, weiterhin aus der Corona-Krise zu lernen: Das Lernen aus der Krise war ein Tagesordnungspunkt im vergangenen Jahr, den ich ebenfalls benannt habe und der auch in 2021 und darüber hinaus seine Geltung beansprucht. An diesem Thema müssen wir in den nächsten Jahren dranbleiben“, schloss Maier.
Autor: red

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