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Lehrerverband schlägt Alarm

Schulleitungen total am Limit

Sonnabend, 27. November 2021, 08:30 Uhr
Die Ergebnisse einer jüngst durchgeführten forsa-Umfrage zeigen eine problematische Situation an den Schulen, die sich stetig zuspitzt: Immer mehr Aufgaben, immer weniger Zeit. Auch in Thüringen seien die Schulleitungen "am Limit", kritisiert der Thüringer Lehrerverband...

Gestern sind im Rahmen des Deutschen Schulleitungskongresses (DSLK) in Düsseldorf die Ergebnisse einer aktuellen repräsentativen Umfrage zur beruflichen Zufriedenheit der Schulleitungen in Deutschland präsentiert worden.

Die forsa-Studie war vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) in Auftrag gegeben und vom 17. September bis zum 28. Oktober 2021 durchgeführt worden – bereits zum fünften Mal. Rolf Busch, Landesvorsitzender des tlv thüringer lehrerverband, Stellvertretender Bundesvorsitzender des VBE und selbst Schulleiter einer Grund- und einer Gemeinschaftsschule, war bei der Präsentation vor Ort und schlägt Alarm: „Die Schulleitungen sind total am Limit. Das gilt auch für Thüringen. Zwar haben wir keine länderspezifischen Daten, aber wir erleben es bei unserer tagtäglichen Arbeit.“

Alleingelassen von der Politik und nicht ausreichend unterstützt sehen sich Schulleitungen so großen Herausforderungen gegenüber, dass 21 Prozent der unter 55-Jährigen angeben, diesen Beruf in 10 Jahren voraussichtlich nicht mehr auszuüben. Hinzu kommt, dass fast die Hälfte aller Befragten den Beruf „wahrscheinlich nicht“ oder sogar „auf keinen Fall“ weiterempfiehlt. Der Aussage, den Beruf momentan „sehr gerne“ auszuüben, stimmen heute halb so viele Befragte zu wie 2019, nämlich nicht mal jede dritte Schulleitung. Dafür versechsfachte sich in dieser Zeit der Wert derer, die eher bzw. sehr ungern ihrem Job nachgehen: von 4 auf 25 Prozent.

Besonders betroffen ist die neue Schulleitungsgeneration unter 40 Jahren: Während 39 Prozent aller Befragten antworten, nur „gelegentlich“ mit der eigenen Arbeit zufrieden zu sein, ist es bei den unter 49-Jährigen die Hälfte. Die Arbeitsmotivation der Hälfte aller Befragten veränderte sich während der Coronakrise zum Negativen. Bei den unter 40-Jährigen gaben dies 62 Prozent an. Und nicht zuletzt sind sie so ernüchtert, dass ein Viertel den Job „auf keinen Fall“ weiterempfehlen würde (insgesamt: 10 Prozent der Befragten).

Das größte Problem bleibt der Lehrkräftemangel – und er verschärft sich weiter. Gaben 2018 noch etwas über ein Drittel der Befragten an, dass sie mit Lehrkräftemangel zu kämpfen haben, war es 2019 schon die Hälfte. Nun sind es fast zwei Drittel aller Teilnehmenden. Dementsprechend stellten die Befragten der Politik ein miserables Zeugnis aus: 80 Prozent der Schulleitungen stimmen der Aussage zu, dass die Politik bei ihren Entscheidungen den tatsächlichen Schulalltag nicht ausreichend beachtet. Von den zuständigen Ministerinnen oder Ministern fühlten sich 2019 noch 10 Prozent unterstützt, doch mittlerweile nur noch 2 Prozent der Befragten. Insgesamt bewerteten sie die Schulpolitik im Mittel mit der Note 4,2.

Rolf Busch bezeichnete die Ergebnisse als „schlimm, aber nicht überraschend“. Sie deckten sich mit dem, was der tlv in Thüringen erlebe bzw. von den Mitgliedern gespiegelt bekäme. „Als Schulleiter oder Schulleiterin weiß man schon am Anfang eines jeden Tages, dass man all das, was man eigentlich zu tun hätte, nicht schaffen wird“, so der tlv-Landesvorsitzende. „Die Arbeitsflut ist nicht nur, aber natürlich verstärkt wegen der Pandemie nicht mehr zu bewältigen. Der dauerhafte Stress, aber auch das Gefühl, permanent hinter allen möglichen Erwartungen zurückzubleiben, machen die Menschen auf Dauer krank.“

Die Einrichtung multiprofessioneller Teams an den Schulen halte der tlv deshalb nach wie vor für essenziell. „Ja, wir wiederholen uns. Aber leider bleibt diese Forderung auf schmerzhafte Weise aktuell“, so Busch. Ebenfalls notwendig sei die Unterstützung der Schulleitungen durch zusätzliche Verwaltungskräfte. „Neben all dem, was die Pandemie den Schulleitungen und auch deren Sekretariaten abfordert, gibt es keinerlei Entlastung im Hinblick auf die bürokratischen Anforderungen an den Job. Das heißt, zusätzlich zur Coronalogistik besteht der Dienstherr darauf, dass jede kleine Statistik pünktlich vorgelegt wird – so, als ob nichts sei. Das ist nicht zu schaffen.“

Diese Punkte, so der tlv-Landevorsitzende, seien unverzichtbar, wenn auch in Zukunft Menschen für das Amt des Schulleiters oder der Schulleiterin geworben werden sollen. „Wir haben schon jetzt Probleme, Nachwuchs zu finden. Und nachdem, was die Umfrage ergeben hat, wird das in naher Zukunft eher schlimmer. Dabei kommt es nicht allein auf einen angemessenen monetären Ausgleich an: Was fehlt, sind Zeichen echter Wertschätzung für die riesige Verantwortung, die auf den Schultern der Schulleitungen ruht.“
Autor: red

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