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Fr, 07:00 Uhr
21.10.2016
Lichtblick

Der Tod – eine Zumutung?

Am 12. Oktober fand ich folgenden Aufmacher einer Zeitung: „Nach dem unerwarteten Tod einer Frau an Bord eines Personenflugzeugs mussten die übrigen Passagiere es aushalten, stundenlang neben der Leiche zu sitzen.“ Die Internetausgabe einer anderen sprach von „Horrorflug“. Was war passiert...


Der plötzlich eintretende Tod einer 50jährigen Diabetikerin auf einem Flug der Azur Air von Antalya nach Moskau schreckte die Fluginsassen auf. Sie beschrieben es als eine Zumutung, dass Sie mehrere Stunden neben dem „Körper der Verstorbenen“ sitzen mussten, die an einem Zuckerschock starb. Die überforderten Stewardessen hatten die Tote in den Mittelgang gelegt und zugedeckt. Da lag sie nun die Tote, mitten unter Lebenden. Eine Zumutung?

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Es wäre zu verlockend, jetzt sofort in das Horn derer zu blasen, die als kombinierte Schnell-Schreiber und Langsam-Denker zu gern die sogenannten Social-Media bedienen und die leider selten sozial kompetent sind.

Natürlich ist eine solche Erfahrung nicht alltäglich, sie ist auch grenzwertig, aber sie ist gewiss kein Horror. Gerade an Schnittpunkten wie hier, zwischen Leben und Tod, wird deutlich, dass das Sterben zum Leben gehört und untrennbar mit ihm verbunden ist. Leben gibt es nur wenn es den Tod gibt. Der Tod beendet das Leben. Licht gäbe es nicht ohne Schatten und umgekehrt.

Natürlich wollen Journalisten Aufmerksamkeit: für Ihre Artikel, ihre Live-Beiträge, ihre Features. Und nicht nur sie, kürzlich fernsah ich, wie Touristen eine ermordete Frau fotografierten. Sie zeigten keine Betroffenheit, sie schufen mit dem Fotoapparat eine Distanz zwischen sich und der Wirklichkeit. „Da haben wir etwas Schreckliches erlebt, „das hat uns Hammer betroffen gemacht, schaut euch mal die Bilder an“ werden Sie mit einem Teller Torte beim Anblick der Bilder zum Kaffee sagen. Und alle werden extrem betroffen sein: „das musstet ihr ertragen? Wie habt ihr das nur verarbeitet?“ Mit der Stimmlage von Hobby-Psychologen.

Warum tun wir uns so schwer mit dem Tod? Es ist letztlich sehr banal, denn der Grund liegt in uns selbst.

Hatten wir früher eine Sterbekultur, meinen wir heute auch diese Tradition, weil alt (und christlich) und damit nicht mehr up to date, auf den „Scherbenhaufen der Geschichte“ schmeißen zu müssen. Wir haben das Sterben „outgesourct“, wie wir heute in schönstem Neu-Deutsch-Sprech (noch steht das Wort nicht im Duden!) gerne sagen.

Wir haben die Alten und Sterbenden an Krankenhäuser, Altenheime (die wir gern verniedlichen als Seniorenresidenzen oder Seniorentagesstätten. Wir wissen, dass unsere Alten dort keine Residenz eines Königs haben und das Wort „Tagesstätte“ verbirgt die Wirklichkeit, dass unsere Eltern dort eben nicht nur tageweise untergebracht sind) und Hospize „delegiert“ (ein Euphemismus für „abgeschoben“). „Da gibt es Fachleute, die kümmern sich um Dich“. Das stimmt in dem einen oder anderen Fall, aber es ist, GOTT sei es geklagt, nicht die ganze Wahrheit. Und das weiß Jede*r.

Viele berauben sich damit selbst der letzten Chance, die Eltern noch sprechen zu können, so lange sie noch etwas (zu) sagen können (haben). Diese Chance wird nie wiederkommen und sie verstreicht oft ungenutzt und spät zumeist betrauert. So erleben wir auch nicht den Tod, wenn er kommt, des „Schlafes Bruder“ (J.S.Bach, BWV 56-5), der zumeist auf sanften Sohlen eintritt, gar nicht spektakulär.

Wurden früher zumeist die Toten im Flur des Hauses aufgebahrt und von der ganzen Familie, ja oft von der ganzen Nachbarschaft verabschiedet, so fehlte heute meist die Erfahrung mit dem Tod. Wir werden seiner eben nicht mehr ansichtig – selbstverschuldet. Doch was wir verschulden, können wir besser machen und ändern.
Wir gehen nun, in der dunkler werdenden Jahreszeit, auf das Ende des Kirchenjahres hin, das mit dem Ewigkeitssonntag endet (heuer am 20.11.) und mit dem 1. Advent neu beginnt. Es ist eine jahreszeitliche Chance, über sich und sein eigenes Leben nachzudenken. Daran, dass der Tod zum Leben gehört, uns innehalten lässt, damit wir inniglich neu am Leben hängen, jedoch wissend, dass es ein Ende mit ihm hat.

Nutzen wir das eine und erwarten wir den anderen ohne Horror und ohne Angst. Er ist eine ZuMUTung, die ihre Antwort im Glauben findet und Mut schenkt. Im Leben und im Sterben sind wir sein Eigen. Er ist mit uns auf unseren Wegen. Dies im Leben zu begreifen und zu ergreifen ist die größere Zumutung als der Tod. Lassen Sie sich diesen Mut zusprechen, er wächst und gedeiht im Glauben.

Ein gesegnetes und dem Leben mit seinen Chancen nachdenkendes Wochenende wünscht Ihnen Ihr Superintendent Kristóf Bálint

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Autor: red

Kommentare
Dorakind
21.10.2016, 14.26 Uhr
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